Strategien, Rechtspraxis und Checklisten
1. Einleitung: Die ökonomische Anatomie der Ehescheidung
Die Ehescheidung markiert im Lebenszyklus eines Vermögens oft den kritischsten Punkt der Destabilisierung. Während der Eheschluss im deutschen Zivilrecht primär als emotionale und soziale Verbindung wahrgenommen wird, offenbart sich die Ehe im Moment ihres Scheiterns als das, was sie im Kern des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) darstellt: eine Wirtschaftsgemeinschaft mit komplexen gegenseitigen Verpflichtungen und Haftungsrisiken. Für den juristischen Laien, aber auch für den erfahrenen Unternehmer oder Immobilienbesitzer, stellt das Scheidungsverfahren eine „Black Box“ dar, in der ohne strategische Führung erhebliche Vermögenswerte durch Verfahrensfehler, Bewertungsunsicherheiten oder schlichte Unkenntnis der Fristen vernichtet werden können.
Dieser Leitfaden dient nicht nur der Information, sondern als strategisches Kompendium für Mandanten, die sich in der Situation einer Trennung befinden oder diese antizipieren. Er ersetzt keine individuelle Rechtsberatung, sondern bereitet den Boden für eine solche vor, indem er die Mechanismen des Familienvermögensrechts transparent macht. Das Ziel ist die Waffengleichheit: Wer die Regeln des Zugewinnausgleichs, die Tücken der Immobilienbewertung und die steuerlichen Fallstricke kennt, agiert nicht als Opfer eines bürokratischen Prozesses, sondern als Gestalter seiner wirtschaftlichen Zukunft.
1.1 Der gesetzliche Güterstand: Mythen und Realität der Zugewinngemeinschaft
Ein weit verbreiteter Irrglaube, der in Erstberatungsgesprächen regelmäßig korrigiert werden muss, ist die Annahme, dass mit dem Jawort eine automatische Verschmelzung der Vermögensmassen eintritt. Das deutsche Recht kennt im gesetzlichen Regelfall des § 1363 BGB jedoch keine „Gütergemeinschaft“ im eigentlichen Sinne, sondern eine Zugewinngemeinschaft. Dies ist juristisch präziser als eine Gütertrennung mit schuldrechtlichem Ausgleichssystem zu verstehen.
Das bedeutet konkret:
- Vermögenstrennung während der Ehe: Alles, was ein Ehegatte vor der Ehe besaß, bleibt sein Alleineigentum. Alles, was er während der Ehe auf seinen Namen erwirbt (seien es Immobilien, Unternehmensanteile oder Aktiendepots), fällt in sein alleiniges Vermögen. Der andere Ehegatte wird weder Miteigentümer noch haftet er automatisch für Schulden des Partners – es sei denn, er hat Verträge (wie Kreditverträge) mitunterzeichnet.
- Der Stichtag als Zäsur: Die Gemeinschaftlichkeit manifestiert sich erst am Ende des Güterstandes. Hier wird bilanziert. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in einer funktionierenden Ehe beide Partner – sei es durch Erwerbsarbeit oder Familienarbeit – gleichermaßen dazu beitragen, dass Vermögen gebildet wird. Daher soll derjenige, der während der Ehe weniger Vermögen auf seinem eigenen Namen akkumuliert hat, am Erfolg des anderen partizipieren.
Diese Konstruktion hat weitreichende Konsequenzen für die Sicherungsstrategie. Da die Vermögensmassen rechtlich getrennt bleiben, hat der verfügungsberechtigte Ehegatte bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags theoretisch weitreichende Möglichkeiten, Vermögen umzuschichten, zu verbrauchen oder zu verbergen. Zwar schiebt das Gesetz mit den §§ 1365 BGB (Verfügung über das Vermögen im Ganzen) und 1375 BGB (illoyale Vermögensminderungen) Riegel vor, doch greifen diese oft erst, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist – sprich: wenn das Geld weg ist und der Rückgriff mühsam erstritten werden muss.
1.2 Die Phasen der Vermögensgefährdung
Die Gefährdungslage für das eigene Vermögen ist nicht statisch, sondern entwickelt sich dynamisch entlang der Zeitachse der Trennung. Wir unterscheiden in der strategischen Beratung drei kritische Phasen:
- Die Latenzphase (Die Ehekrise): Hier werden oft erste, unbemerkte Vorbereitungen getroffen. Ein Partner beginnt, Geld beiseite zu schaffen, Vollmachten einzurichten oder Unternehmensgewinne zu thesaurieren, ohne dass der andere Verdacht schöpft.
- Die Akutphase (Trennung bis Rechtshängigkeit): Dies ist die gefährlichste Zeitspanne. Mit der Trennung brechen oft die Kommunikationskanäle zusammen. Emotionen wie Rache oder Angst dominieren. In dieser Phase geschehen die häufigsten „Vermögensvernichtungen“ durch Kontenplünderungen oder überstürzte Verkäufe. Da der Stichtag für das Endvermögen (Zustellung Scheidungsantrag) noch nicht erreicht ist, versuchen viele, ihr Endvermögen künstlich kleinzurechnen.
- Die Abwicklungsphase (Das Verfahren): Hier verlagert sich der Kampf auf die Bewertungsebene. Wie viel ist die Firma wert? Ist das Immobiliengutachten korrekt? Wer trägt die Beweislast für verschwundenes Geld?
Dieser Report widmet sich detailliert jeder dieser Phasen und bietet konkrete Gegenmaßnahmen an.
2. Sofortmaßnahmen zur Vermögenssicherung: Die „Stunde Null“
In dem Moment, in dem die Trennung ausgesprochen wird – oder besser noch: sobald der Entschluss dazu reift –, muss der Fokus von der emotionalen Bewältigung auf die faktische Sicherung verlagert werden. Passivität ist in diesem Stadium der größte Feind des Vermögens.
2.1 Liquiditätsmanagement und Kontensicherheit
Das Bankkonto ist die Ader, die den Lebensstandard und die Handlungsfähigkeit sichert. In intakten Ehen sind die Grenzen zwischen „Mein“ und „Dein“ hier oft fließend, was in der Trennung zu fatalen Verwicklungen führt.
2.1.1 Die Anatomie der Bankvollmacht
Ein häufiges Szenario: Der Ehemann ist Alleinverdiener und Kontoinhaber, die Ehefrau besitzt eine Bankvollmacht, um Haushaltsgeschäfte zu tätigen. Oder umgekehrt. Mit der Trennung ändert sich die Vertrauensbasis fundamental. Rechtlich betrachtet ist die Bankvollmacht eine einseitige Willenserklärung gegenüber der Bank, die dem Bevollmächtigten erlaubt, über das Guthaben zu verfügen, als wäre er der Inhaber.
Risiko: Hebt der bevollmächtigte Partner das Konto leer, kann die Bank nicht haftbar gemacht werden, da sie weisungsgemäß gehandelt hat. Der Kontoinhaber hat dann zwar einen zivilrechtlichen Herausgabeanspruch gegen den Ex-Partner, doch wenn dieser das Geld verbraucht hat oder unpfändbar ist, ist der Anspruch wertlos.
Maßnahme: Der Widerruf der Vollmacht muss sofort und nachweisbar erfolgen. Ein Anruf beim Bankberater genügt im Zweifel nicht. Der Widerruf sollte schriftlich fixiert und der Bank per Einschreiben oder persönlicher Übergabe gegen Quittung zugestellt werden. Erst ab Zugang dieses Widerrufs haftet die Bank, wenn sie dennoch Auszahlungen zulässt.
2.1.2 Das Gemeinschaftskonto: Und vs. Oder
Bei Gemeinschaftskonten sind beide Ehegatten Kontoinhaber. Hier entscheidet die Art des Gemeinschaftskontos über die Handlungsoptionen:
- Das Oder-Konto: Dies ist der Standardfall. Jeder kann allein verfügen. Dies bietet Flexibilität, aber auch das Risiko, dass ein Partner das gesamte Guthaben abräumt. Zwar steht dem anderen im Innenverhältnis die Hälfte zu (§ 430 BGB), doch die Rückholung ist prozessual aufwendig.
- Strategie: Bei konkreter Trennungsabsicht ist es legitim und oft notwendig, die Hälfte des Guthabens auf ein eigenes Konto zu transferieren, um die eigene Liquidität zu sichern. Das Abheben des gesamten Guthabens wird von Gerichten hingegen oft als illoyales Verhalten gewertet und kann Schadensersatzansprüche auslösen.
- Das Und-Konto: Verfügungen sind nur gemeinsam möglich. Dies blockiert einseitige Abhebungen, lähmt aber auch den Zahlungsverkehr (Miete, Strom). Eine Umwandlung vom Oder- zum Und-Konto kann eine Notmaßnahme sein, wenn man befürchtet, der Partner räumt das Konto leer. Banken lassen diese Umwandlung oft auf einseitigen Zuruf zu, um ihr eigenes Haftungsrisiko zu minimieren.
Wichtiger Hinweis: Lassen Sie sich vorher anwaltlich Beraten.
Kontoart: Einzelkonto mit Vollmacht
- Recht: Inhaber & Bevollmächtigter
- Risiko: Partner räumt Konto leer
- To-Do: Sofortiger schriftlicher Widerruf bei der Bank
Kontoart: Oder-Konto
- Recht: Jeder einzeln über alles
- Risiko: Partner hebt alles ab
- To-Do: 50% sichern, Sperrvermerk oder Umwandlung
Kontoart: Und-Konto
- Recht: Nur gemeinsam
- Risiko: Zahlungsblockade
- To-Do: Nutzen als "Notbremse" bei Misstrauen
2.2 Dokumentation und Beweissicherung: Der Kampf gegen das Verschwinden
Im Zugewinnprozess gilt der Beibringungsgrundsatz. Das Gericht ermittelt Vermögenswerte nicht von Amts wegen (anders als beim Versorgungsausgleich oder in Kindschaftssachen). Wer behauptet, der Partner habe Vermögen, muss dies beweisen – oder zumindest so konkret vortragen, dass eine Auskunftspflicht ausgelöst wird.
Daher ist die Sicherung von Unterlagen in der „Stunde Null“ essenziell. Sobald ein Partner auszieht oder Schlösser getauscht werden (was rechtlich oft unzulässig, aber faktisch wirksam ist), ist der Zugriff auf den heimischen Aktenschrank verloren.
Checkliste der zu sichernden Dokumente:
- Kaufverträge und Grundbuchauszüge: Nicht nur vom aktuellen Wohnhaus, sondern auch von vermieteten Eigentumswohnungen, Ferienimmobilien oder unbebauten Grundstücken.
- Gesellschaftsverträge und Bilanzen: Bei Unternehmern ist der Zugriff auf die Bilanzen der letzten drei bis fünf Jahre (Jahresabschlüsse, BWA) entscheidend, um den Unternehmenswert später durch Sachverständige ermitteln zu lassen.
- Versicherungspolicen: Lebensversicherungen (Kapitalbildend), private Rentenversicherungen. Hier ist nicht nur der aktuelle Wert wichtig, sondern auch das Bezugsrecht im Todesfall, das widerrufen werden sollte.
- Kontoauszüge: Rückwirkend für mindestens 1-3 Jahre. Diese sind der Schlüssel, um Vermögensverschiebungen vorder Trennung aufzudecken (sog. illoyale Vermögensminderung gem. § 1375 Abs. 2 BGB). Achten Sie auf Überweisungen an unbekannte Konten, Krypto-Börsen oder hohe Barabhebungen.
- Schenkungsurkunden: Haben Eltern oder Schwiegereltern Geld gegeben? Diese Verträge sind entscheidend für das Anfangsvermögen (privilegierter Erwerb) oder für Rückforderungsansprüche der Schwiegereltern.
2.3 Die digitale Dimension: Passwörter und Zugangscodes
In der modernen Eheverwaltung sind Zugänge oft geteilt oder auf Geräten gespeichert, auf die beide Zugriff haben. Mit der Trennung muss die digitale Privatsphäre wiederhergestellt werden.
- Passwortänderung: Ändern Sie alle Passwörter (E-Mail, Cloud-Dienste, Online-Banking, PayPal, Amazon). Nutzen Sie keine Passwörter, die der Partner erraten könnte (Geburtsdaten der Kinder etc.).
- Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA): Stellen Sie sicher, dass Bestätigungscodes nicht auf ein Gerät gesendet werden, auf das der Partner Zugriff hat (z.B. ein gemeinsames Tablet).
- Widerruf von Vollmachten bei Dienstleistern: Denken Sie auch an Steuerberater, Versicherungsvertreter oder Vermögensverwalter. Teilen Sie diesen schriftlich mit, dass der Partner keine Auskünfte mehr erhalten darf.
3. Der Zugewinnausgleich: Systematik, Berechnung und Strategie
Der Zugewinnausgleich gemäß §§ 1372 ff. BGB ist ein rein rechnerischer Vorgang, der jedoch durch Bewertungsspielräume und Verfahrenstaktik hochkomplex werden kann. Das Grundprinzip lautet: Derjenige, der in der Ehe mehr erwirtschaftet hat, muss die Hälfte dieses Mehrertrags an den anderen abgeben.
3.1 Die mathematische Logik des Ausgleichs
Die Berechnung folgt einem klaren Schema. Zur besseren Lesbarkeit wird hier auf komplexe mathematische Notation verzichtet:
Schritt 1: Ermittlung des Zugewinns für jeden Partner
Zugewinn = Endvermögen (Stichtag: Zustellung Scheidungsantrag) MINUS Anfangsvermögen (Stichtag: Heirat, indexiert)
Ist das Ergebnis negativ, wird der Zugewinn mit 0,00 € angesetzt.
Schritt 2: Berechnung der Ausgleichsforderung
Ausgleich = (Zugewinn des Partners mit mehr Zuwachs MINUS Zugewinn des Partners mit weniger Zuwachs) GETEILT DURCH 2
Doch der Teufel steckt im Detail der Variablen.
3.1.1 Das Anfangsvermögen: Die Basis der Berechnung
Das Anfangsvermögen ist das Nettovermögen am Tag der standesamtlichen Eheschließung.
- Indexierung (Kaufkraftausgleich): Ein oft übersehener Faktor ist die Inflation. 100.000 DM im Jahr 1990 sind nicht gleich 51.129 Euro heute. Das Anfangsvermögen muss anhand des Verbraucherpreisindex indexiert werden. Je höher das Anfangsvermögen (durch Indexierung), desto geringer der errechnete Zugewinn. Ein hohes Anfangsvermögen ist also im Interesse des Ausgleichspflichtigen.
- Negatives Anfangsvermögen: Seit der Reform 2009 kann das Anfangsvermögen auch negativ sein (Schulden). Startet jemand mit 20.000 € Schulden und hat am Ende 0 €, hat er 20.000 € Zugewinn erwirtschaftet (Schuldentilgung ist Vermögensbildung).
- Privilegierter Erwerb (§ 1374 Abs. 2 BGB): Erbschaften und Schenkungen, die während der Ehe anfallen, werden dem Anfangsvermögen fiktiv hinzugerechnet. Damit bleiben sie im Kern vom Ausgleich verschont, lediglich die Wertsteigerung der Erbschaft (z.B. Kursgewinne eines geerbten Depots) unterliegt dem Zugewinn.
3.1.2 Das Endvermögen: Der Kampf um den Stichtag
Das Endvermögen wird zum Stichtag der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags berechnet (§ 1384 BGB). Rechtshängigkeit tritt ein, wenn der Scheidungsantrag dem Antragsgegner durch das Gericht förmlich zugestellt wird.
Zwischen Trennung und Rechtshängigkeit vergeht oft mindestens ein Jahr (Trennungsjahr). In dieser Zeit haben Ehegatten oft die Motivation, ihr Endvermögen „arm zu rechnen“.
Typische Manipulationen am Endvermögen:
- Verschwendung: Geld wird für Luxusreisen oder teure Hobbys ausgegeben, die nicht dem bisherigen Lebensstil entsprechen.
- Schenkungen: Vermögen wird an Kinder aus erster Ehe oder neue Partner übertragen.
- Verschleierung: Bargeld wird abgehoben und „zu Hause versteckt“ oder auf Auslandskonten transferiert.
Der Gesetzgeber begegnet dem mit § 1375 Abs. 2 BGB. Beträge, die durch solche illoyalen Handlungen vermindert wurden, werden dem Endvermögen fiktiv wieder hinzugerechnet. Der Beweis solcher Handlungen obliegt jedoch dem Anspruchsteller. Hier greift die in Kapitel 2 beschriebene Dokumentationspflicht: Wer beweisen kann, dass am Trennungstag noch 50.000 € auf dem Konto waren, die am Tag der Rechtshängigkeit fehlen, zwingt den Partner zur Erklärung (sekundäre Darlegungslast), wo das Geld geblieben ist. Kann er keinen plausiblen Grund für den Verbrauch im Rahmen der ordnungsgemäßen Lebensführung darlegen, wird das Geld als noch vorhanden fingiert.
3.2 Die Verfahrensstufen: Auskunft, Beleg, Versicherung
In der Praxis wird der Zugewinnausgleich oft im Rahmen einer Stufenklage geltend gemacht:
- Auskunftsstufe: Der Ehegatte wird aufgefordert, ein Bestandsverzeichnis seiner Vermögenswerte zu den Stichtagen vorzulegen (§ 1379 BGB).
- Belegstufe: Die Angaben müssen durch Dokumente (Kontoauszüge, Grundbuchauszüge, Wertgutachten) belegt werden. Eine bloße Excel-Tabelle genügt nicht.
- Eidesstattliche Versicherung: Bestehen begründete Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit, kann die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangt werden. Falschangaben sind hier strafbar (bis zu 3 Jahre Haft oder Geldstrafe gem. § 156 StGB), was ein erhebliches Druckmittel darstellt.
- Zahlungsstufe: Erst wenn das Vermögen beziffert ist, wird der konkrete Zahlungsantrag gestellt.
Strategischer Hinweis: Der Auskunftsanspruch besteht bereits ab dem Zeitpunkt der Trennung. Es ist oft ratsam, diesen Anspruch frühzeitig geltend zu machen, um den Partner zu „fixieren“ und spätere Manipulationen nachvollziehbar zu machen. Ein taktisches Zögern kann jedoch sinnvoll sein, wenn man hofft, dass der Partner in der Annahme, man wisse von nichts, unvorsichtig wird und Vermögen bewegt, das man dann durch Bankauskünfte nachweisen kann.
4. Immobilien: Der Elefant im Raum
Bei den meisten Ehepaaren stellt die selbstgenutzte Immobilie den größten Vermögenswert dar. Die emotionale Bindung („Das Haus der Kinder“) kollidiert hier oft brutal mit der ökonomischen Realität der Teilung.
4.1 Szenarien der Auseinandersetzung
Da ein Haus nicht physisch geteilt werden kann, gibt es nur drei Lösungswege:
4.1.1 Auszahlung und Übernahme
Ein Partner übernimmt den Miteigentumsanteil des anderen.
- Voraussetzung: Der übernehmende Partner muss finanziell in der Lage sein, den anderen auszuzahlen UND die laufenden Kredite allein zu bedienen.
- Bankproblem: Die Bank muss der Schuldhaftentlassung des weichenden Partners zustimmen. Dies tut sie nur, wenn die Bonität des Verbleibenden ausreicht. Oft scheitert dieses Modell, weil das Einkommen eines Einzelnen für die Tragfähigkeit der Raten nicht genügt.
- Bewertung: Man muss sich auf einen Verkehrswert einigen. Oft beauftragen Parteien hier eigene Makler oder Gutachter, deren Ergebnisse weit auseinanderliegen. Ein gerichtliches Sachverständigengutachten ist teuer (2.000–5.000 €) und langwierig. Eine einvernehmliche Schätzung durch einen neutralen Makler oder den Gutachterausschuss ist oft effizienter.
4.1.2 Der freihändige Verkauf
Beide sind sich einig, dass das Haus verkauft wird. Der Erlös wird zur Tilgung der Restschuld genutzt, der Überschuss geteilt.
- Vorteil: Dies erzielt meist den höchsten Marktpreis ("Marktwert").
- Nachteil: Beide müssen ausziehen. In angespannten Wohnungsmärkten ist das oft schwierig.
4.1.3 Die Teilungsversteigerung (§ 180 ZVG)
Können sich die Parteien nicht einigen (Blockadehaltung), bleibt als Ultima Ratio die Teilungsversteigerung. Hierbei wird die Immobilie durch das Vollstreckungsgericht öffentlich versteigert.
- Das Risiko: Immobilien erzielen in der Versteigerung oft weniger als am freien Markt. Zudem können „Schnäppchenjäger“ auftreten.
- Die Taktik: Oft wird der Antrag auf Teilungsversteigerung gestellt, um den Druck auf den blockierenden Partner zu erhöhen und ihn an den Verhandlungstisch zu zwingen. Es ist ein Spiel mit dem Feuer, das jedoch notwendig sein kann, um eine jahrelange Hängepartie zu beenden. Jeder Miteigentümer kann selbst mitbieten, um das Haus zu ersteigern – oft günstiger als beim freihändigen Erwerb.
4.2 Steuerliche Fallstricke: Grunderwerbsteuer und Spekulation
Die Übertragung von Immobilienanteilen ist steuerrechtlich hochbrisant.
4.2.1 Grunderwerbsteuer
Grundsätzlich fällt beim Erwerb von Immobilienanteilen Grunderwerbsteuer an. Die Höhe ist Ländersache:
- Hessen: Hier beträgt der Steuersatz aktuell 6,0 %.
- Rheinland-Pfalz: Hier werden 5,0 % fällig.
- Die Befreiung: Der Erwerb durch den Ehegatten ist steuerfrei (§ 3 Nr. 4 GrEStG).
- Die Scheidungs-Falle: Auch der Erwerb nach der Scheidung ist steuerfrei, wenn er im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung erfolgt (§ 3 Nr. 5 GrEStG). Aber Vorsicht: Wenn die Übertragung erst Jahre später erfolgt und nicht mehr kausal auf die Scheidung zurückzuführen ist, kann das Finanzamt die Steuer fordern. Es ist daher essenziell, in der Scheidungsfolgenvereinbarung explizit festzuhalten, dass die Übertragung „zum Zwecke der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung der geschiedenen Ehe“ erfolgt.
4.2.2 Spekulationssteuer (§ 23 EStG)
Wird eine Immobilie innerhalb von 10 Jahren nach Anschaffung mit Gewinn verkauft, fällt Einkommensteuer auf den Gewinn an.
- Ausnahme Eigennutzung: Steuerfrei bleibt der Verkauf, wenn die Immobilie im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde.
- Das Auszugs-Risiko: Zieht ein Partner im Streit aus (Trennungsjahr) und wird das Haus erst zwei Jahre später verkauft (weil das Verfahren dauert), erfüllt der ausgezogene Partner die Eigennutzungsfrist eventuell nicht mehr! Er muss seinen Gewinnanteil versteuern, während der im Haus verbliebene Partner steuerfrei verkauft.
- Gegenstrategie: Der Auszug sollte dokumentiert nur als „vorübergehend“ gelten, oder der Verkauf muss zwingend vor Ablauf der Frist erfolgen. Alternativ muss eine Klausel in die Scheidungsvereinbarung, dass der im Haus Verbleibende den Steuerschaden des Ausgezogenen erstattet, da er die Verzögerung oft verursacht hat.
4.3 Vorfälligkeitsentschädigung: Die Strafe der Banken
Wer einen Kredit vor Ablauf der Zinsbindungsfrist kündigt (wegen Hausverkauf), muss der Bank den entgangenen Zinsgewinn erstatten (Vorfälligkeitsentschädigung - VFE). Dies können schnell 20.000 € bis 50.000 € sein.
Der „Niedrigzins-Effekt“ (Wichtig für aktuelle Fälle):
Besitzen Sie ein älteres Darlehen mit sehr niedrigen Zinsen (z.B. 1,0 % oder 1,5 %), das Sie nun in einer Phase höherer Marktzinsen (z.B. 3,5 % oder 4,0 %) kündigen, entsteht der Bank oft kein Schaden.
- Der Grund: Die Bank bekommt das Geld von Ihnen zurück und kann es sofort zu den aktuell höheren Zinsen am Markt neu verleihen. Sie macht dadurch Gewinn, keinen Verlust.
- Die Folge: In diesem Szenario darf die Bank keine oder nur eine minimale Vorfälligkeitsentschädigungverlangen (sog. Aktiv-Passiv-Vergleich ergibt einen Schaden von Null). Prüfen Sie daher bei jedem „Altkredit“ kritisch, ob die Bank eine Entschädigung überhaupt fordern darf!
Weitere Strategien zur Vermeidung:
- Pfandtausch: Kauft einer der Partner eine neue Immobilie, kann er der Bank anbieten, den Kreditvertrag auf das neue Objekt zu übertragen ("Objekttausch"). Die Bank behält ihren Zinsanspruch, die VFE entfällt.
- Schuldnerwechsel: Der Käufer des Hauses übernimmt den bestehenden Kredit. Dies bedarf der Zustimmung der Bank und lohnt sich für den Käufer nur, wenn die Altzinsen niedriger sind als die aktuellen Marktzinsen.
- Widerrufsjoker: Viele Kreditverträge (insb. aus den Jahren 2010–2016) enthalten fehlerhafte Widerrufsbelehrungen. Ein spezialisierter Anwalt kann prüfen, ob ein „ewiges Widerrufsrecht“ besteht. Bei erfolgreichem Widerruf muss keine VFE gezahlt werden.
5. Das Unternehmen in der Scheidung: Existenzschutz vs. Teilhabe
Für Unternehmer ist die Scheidung ein "High-Risk-Event". Der Wert des Unternehmens fließt in den Zugewinn ein. Da dieser Wert aber meist in Maschinen, Warenlagern oder Firmenwert (Goodwill) gebunden ist, fehlt oft die Liquidität, um den Ex-Partner auszuzahlen. Dies kann zur Zerschlagung des Lebenswerks führen.
5.1 Bewertungsmethoden: Ein Kampf der Gutachter
Der § 1376 BGB spricht lapidar vom „Wert“ des Unternehmens, legt aber keine Methode fest. Hier prallen Welten aufeinander.
5.1.1 Ertragswertverfahren (Der Standard)
Die Rechtsprechung favorisiert das Ertragswertverfahren (oft in Anlehnung an IDW S1). Hierbei wird prognostiziert, welche Gewinne das Unternehmen in Zukunft erwirtschaften wird. Diese Gewinne werden kapitalisiert.
- Das Problem: Diese Methode führt oft zu sehr hohen Werten, da sie das Potenzial bewertet.
- Der Unternehmerlohn: Ein entscheidender Hebel zur Reduzierung des Wertes ist der kalkulatorische Unternehmerlohn. War der Inhaber Geschäftsführer, muss ein fiktives Gehalt abgezogen werden, das ein Fremdgeschäftsführer kosten würde. Je höher dieser Abzug angesetzt wird, desto niedriger der zu kapitalisierende Gewinn und damit der Unternehmenswert.
- Inhaberabhängigkeit: Ist der Erfolg der Firma untrennbar mit der Person des Inhabers verbunden (z.B. der „Star-Architekt“ oder der spezialisierte Arzt), muss ein Abschlag vorgenommen werden. Denn würde man die Firma verkaufen, wäre sie ohne den Inhaber weniger wert. Dieser „inhaberbezogene Goodwill“ darf nicht ausgeglichen werden, da er Arbeitskraft und kein Vermögen darstellt.
5.1.2 Substanzwertverfahren
Hier wird geschaut: Was bekäme man, wenn man alle Assets (Autos, Computer, Waren) einzeln verkauft? Dieser Wert (Liquidationswert) ist meist deutlich niedriger und bildet die absolute Untergrenze. Unternehmer versuchen oft, diesen Wert als Maßstab durchzusetzen, scheitern aber meist an der Rechtsprechung, die den Fortführungswert (Ertragswert) als realistischer ansieht.
5.2 Latente Steuern: Ein Muss-Abzug
Ein oft vergessener Punkt, der Tausende Euro spart: Da der Unternehmenswert im Zugewinn so behandelt wird, als würde die Firma fiktiv verkauft, müssen auch die Steuern abgezogen werden, die bei diesem fiktiven Verkauf anfallen würden. Diese „latenten Steuern“ mindern das Endvermögen des Unternehmers erheblich und reduzieren damit die Ausgleichsforderung. Wer vergisst, diese Steuern im Gutachten geltend zu machen, zahlt den Ex-Partner quasi „brutto für netto“ aus.
5.3 Schutzstrategien für Unternehmer
- Modifizierte Zugewinngemeinschaft (Ehevertrag): Der sicherste Weg ist, das Betriebsvermögen vertraglich aus dem Zugewinn herauszunehmen. Dies ist auch nachträglich während der Ehe möglich (Post-Nup), erfordert dann aber oft eine Kompensation an den Partner, damit dieser zustimmt.
- Sachwertausgleich: Kann der Unternehmer den Partner nicht in bar auszahlen, kann eine Übertragung von Firmenanteilen (Stille Beteiligung) erwogen werden. Dies vermeidet den Liquiditätsabfluss, bindet den Ex-Partner aber weiter an das Unternehmen – was oft emotional nicht gewollt ist.
- Streckung der Zahlung: Gemäß § 1382 BGB kann das Familiengericht auf Antrag eine Stundung der Ausgleichsforderung anordnen, wenn die sofortige Zahlung eine „unbillige Härte“ (z.B. Insolvenz der Firma) bedeuten würde. Zinsen müssen aber dennoch gezahlt werden.
6. Digitale Vermögenswerte: Krypto, NFTs und Online-Accounts
Die klassische Vermögensbilanz (Haus, Auto, Sparbuch) greift im digitalen Zeitalter zu kurz. Digitale Assets sind oft unsichtbar, volatil und schwer zu pfänden.
6.1 Kryptowährungen: Das Versteckspiel
Bitcoin, Ethereum und Co. fallen in den Zugewinn. Die Herausforderung ist zweifach: Auffinden und Bewerten.
- Forensik: Kryptowährungen liegen auf der Blockchain, der Zugang erfolgt über Wallets. Wer den „Private Key“ hat, hat das Geld.
- Indiziensuche: Prüfen Sie Kontoauszüge auf Überweisungen an Börsen wie Coinbase, Binance, Kraken, Bitpanda oder Nuri. Auch kleine Testüberweisungen können Hinweise auf große Depots sein. Findet sich eine solche Transaktion, ist die Existenz von Krypto-Assets bewiesen.
- Auskunft: Der Auskunftsanspruch (§ 1379 BGB) umfasst explizit auch digitale Bestände. Ein Verschweigen erfüllt den Tatbestand des Prozessbetrugs.
- Bewertung: Kryptomärkte sind extrem volatil. Für den Zugewinn zählt der Kurs am Tag der Rechtshängigkeit (Zustellung Scheidungsantrag) in Euro. Ob der Kurs danach abstürzt, ist das Risiko des Inhabers.
6.2 Wertpapierdepots und Treuhandverhältnisse
Ein Sonderfall aus der Rechtsprechung (OLG Zweibrücken): Ein Depot läuft auf den Namen der Ehefrau, wird aber faktisch vom Ehemann verwaltet und mit seinem Geld bespart. Im Scheidungsfall beruft sich die Frau auf ihre Inhaberschaft.
Das Gericht entschied hier: Es kann ein verdecktes Treuhandverhältnis vorliegen. Wirtschaftlich gehört das Depot dem Mann, die Frau war nur „Strohfrau“.
Lehre: Es kommt nicht immer nur auf den formalen Inhaber an, sondern auf die wirtschaftliche Herkunft und Verfügungsgewalt der Mittel. Dies muss im Prozess aber detailliert vorgetragen und bewiesen werden.
7. Schenkungen, Schulden und Dritte
7.1 Die Schwiegereltern-Falle
Ein Klassiker: Die Eltern der Ehefrau schenken dem Paar 100.000 € für den Hausbau. Nun scheitert die Ehe. Die Eltern wollen das Geld vom Schwiegersohn zurück.
Früher galt dies oft als Schenkung an das eigene Kind. Der BGH hat seine Rechtsprechung jedoch geändert. Heute wird oft ein „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ (§ 313 BGB) angenommen. Die Geschäftsgrundlage der Schenkung war der Fortbestand der Ehe und das gemeinsame Wohnen im Haus. Mit der Scheidung fällt dieser Grund weg. Schwiegereltern können daher oft Rückforderungsansprüche geltend machen – allerdings meist nicht in voller Höhe, sondern abgeschmolzen über die Dauer der Nutzung.
Auswirkung auf den Zugewinn: Muss das Paar das Geld an die Eltern zurückzahlen, entsteht eine Verbindlichkeit (Schulden). Diese mindert das Endvermögen beider Eheleute und reduziert damit die Zugewinnmasse. Es ist strategisch oft sinnvoll, diese Rückforderungsansprüche aktiv zu klären, bevor der Zugewinn berechnet wird.
7.2 Schulden und Gesamtschuldnerausgleich
Haben beide Eheleute einen Kredit unterschrieben (z.B. fürs Haus), haften sie gegenüber der Bank als Gesamtschuldner. Die Bank kann sich aussuchen, von wem sie das Geld holt.
Im Innenverhältnis der Ehegatten gilt jedoch § 426 BGB: Jeder trägt die Hälfte. Zahlt der Ehemann nach der Trennung die Hausraten allein weiter, hat er einen Ausgleichsanspruch gegen die Ehefrau in Höhe von 50 % der gezahlten Raten.
Achtung: Dieser Anspruch kann durch Unterhaltszahlungen überlagert werden. Wenn der Mann die Raten zahlt und diese beim Wohnvorteil im Unterhalt abzieht, kann er sie nicht nochmals separat als Gesamtschuldnerausgleich fordern (Verbot der Doppelverwertung).
8. Checkliste - Sichern & Finden
Wichtiger Haftungshinweis: Diese Checkliste dient ausschließlich der allgemeinen Information und Orientierung. Sie ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Bitte setzen Sie die hier genannten Maßnahmen – insbesondere Kontensperrungen oder die Kündigung von Verträgen – idealerweise nur nach direkter Rücksprache mit Ihrem Rechtsanwalt um. Eigenmächtiges Handeln kann im Einzelfall rechtliche Nachteile (z.B. Schadensersatzforderungen oder Nachteile beim Unterhalt) auslösen. Der Verfasser übernimmt keine Haftung für die Vollständigkeit oder für Schäden, die aus der Anwendung dieser Liste entstehen.
TEIL 1: SOFORTMASSNAHMEN (Liquidität und Zugriff sichern)
- Bankvollmachten widerrufen: Widerrufen Sie sofort und schriftlich alle Bankvollmachten, die Sie dem Partner für Ihre eigenen Konten erteilt haben. Lassen Sie sich den Widerruf von der Bank bestätigen.
- Gemeinschaftskonto (Oder-Konto) sichern: Prüfen Sie das Guthaben. Sichern Sie maximal 50 % des Guthabens auf einem eigenen Konto, um Ihre Liquidität zu gewährleisten. Heben Sie nicht alles ab, um Vorwürfe der illoyalen Vermögensminderung zu vermeiden.
- Sperrvermerk setzen: Wenn Sie befürchten, dass der Partner das Gemeinschaftskonto leerräumt oder den Dispo überzieht, beantragen Sie bei der Bank einen "Sperrvermerk". Danach sind Verfügungen nur noch gemeinsam möglich (Umwandlung in faktisches "Und-Konto").
- Kreditkarten prüfen: Sperren Sie Partnerkarten, die über Ihr alleiniges Konto abgerechnet werden.
- Zugangscodes ändern: Ändern Sie die Passwörter für Online-Banking, PayPal, E-Mail-Dienste und Cloud-Speicher. Nutzen Sie neue Passwörter, die der Partner nicht erraten kann.
- 2-Faktor-Authentifizierung (2FA): Stellen Sie sicher, dass Bestätigungscodes (SMS/App) nur auf Ihr eigenes Smartphone gesendet werden und nicht auf ein gemeinsames Tablet (iPad etc.), auf das der Partner Zugriff hat.
- Lastschriften prüfen: Gehen Sie die Abbuchungen der letzten 12 Monate durch. Kündigen Sie Abos oder Verträge, die nur dem Partner zugutekommen, aber von Ihrem Konto abgehen.
- Trennungsdatum fixieren: Dokumentieren Sie den Tag der Trennung (z.B. durch einen Brief/E-Mail an den Partner oder den Auszug). Dies ist wichtig für Stichtage im Scheidungsverfahren.
TEIL 2: DETEKTIV-LISTE (Versteckte und „vergessene“ Werte)
Gehen Sie diese Punkte durch, um Vermögenswerte zu identifizieren, die im Zugewinn oft vergessen werden:
- Steuererstattungen: Sind noch Steuererstattungen für gemeinsame Veranlagungsjahre offen? Diese stellen einen Vermögenswert dar.
- Verlustvorträge: Hat ein Partner steuerliche Verlustvorträge (z.B. aus einem Gewerbe)? Diese mindern künftige Steuerlasten und haben einen echten Geldwert im Zugewinn.
- Kautionen: Wer hat die Mietkaution für die Ehewohnung oder gewerbliche Räume gezahlt? Der Rückzahlungsanspruch gehört in die Vermögensbilanz.
- Bonus-Systeme: Miles & More Meilen, Payback-Punkte oder BahnBonus-Punkte. Diese haben oft einen direkten Geldwert und sind ausgleichspflichtig.
- Zeitwertkonten: Prüfen Sie, ob beim Arbeitgeber ein Lebensarbeitszeitkonto (Sabbatical/Vorruhestand) existiert. Diese fallen oft nicht in den Versorgungsausgleich (Rente), sondern in den Zugewinn!
- Digitale Wallets: Guthaben bei PayPal, Amazon, Wettanbietern oder in „Neobanken“ (Revolut, N26), die in der normalen Hausbank-Post nicht auftauchen.
- Krypto-Assets: Achten Sie auf Überweisungen an Börsen wie Coinbase, Binance oder Kraken. Suchen Sie nach Hardware Wallets (USB-Sticks wie Ledger) oder Recovery-Phrases (Zettel mit 12-24 Wörtern).
- Photovoltaik: Besteht eine PV-Anlage auf dem Dach? Die Einspeisevergütung ist eine Einnahmequelle, die Anlage selbst ein Vermögenswert.
- Private Darlehen: Wurde Geld an Freunde oder Verwandte verliehen? Dieser Rückzahlungsanspruch gehört zum Endvermögen.
- Sammlungen: Münzen, Briefmarken, teure Weine, Kunst oder Oldtimer. Oft als "Hobby" getarnt, aber wertvoll.
- Genossenschaftsanteile: Anteile an Wohnungsbaugenossenschaften oder Volksbanken (oft Jahre alt und vergessen).
weitere Unterlagen für das Erstgespräch beim Anwalt
Um die Strategie effizient zu planen, benötigt Ihr Anwalt idealerweise zumindest folgende Informationen:
- Stammdaten: Heiratsdatum, Geburtsdaten der Kinder, Güterstand (Ehevertrag vorhanden?).
- Trennungsdatum: Wann genau erfolgte die Trennung von Tisch und Bett?
- Vermögensaufstellung (grobe Schätzung):
- Immobilien (Adresse, geschätzter Wert, Restschuld).
- Guthaben (Konten, Depots).
- Lebensversicherungen (idealerweise mit Rückkaufswerten).
- PKW (Typ, Baujahr, Finanzierung?).
- Schulden (Ratenkredite, privat).
- Anfangsvermögen beider Partner
- Besondere Posten:
- Erbschaften/Schenkungen während der Ehe (Datum, Betrag, Nachweis).
- Unternehmensbeteiligungen.
- Kryptowährungen.
- Einkommen: Aktuelle Nettoeinkommen beider Partner.
Hinweis: Auf meiner Webseite finden Sie noch ausführlichere Informationen zur Vorbereitung des Erstgespächs
9. Fazit: Strategie schlägt Emotion
Die Vermögensauseinandersetzung in der Scheidung ist ein Marathon, kein Sprint. Wer von Anfang an strategisch denkt, Emotionen aus den finanziellen Entscheidungen heraushält und sich frühzeitig professionellen Rat holt, kann sein Vermögen schützen. Das deutsche Rechtssystem bietet Instrumente für einen fairen Ausgleich, aber es belohnt denjenigen, der gut dokumentiert ist und die Beweislastregeln versteht.
Nutzen Sie die Phase der Trennung nicht zum Trauern, sondern zum Sichern. Die emotionale Aufarbeitung folgt später – auf einem gesicherten finanziellen Fundament.