Als Rechtsanwalt erlebe ich in der Erstberatung immer wieder, dass Mandanten mit bestimmten, aber falschen Vorstellungen über den Ablauf einer Scheidung zu mir kommen. Diese Irrtümer können nicht nur den Prozess unnötig verkomplizieren, sondern Sie auch finanziell benachteiligen.

Hier kläre ich die fünf häufigsten Missverständnisse auf, die ich in meiner Kanzlei regelmäßig feststelle und deren Klärung für einen reibungslosen Start in Ihr neues Leben entscheidend ist.

1. Irrtum: Bei einer einvernehmlichen Scheidung brauchen wir keinen oder nur einen gemeinsamen Anwalt

Dies ist der wohl häufigste und gleichzeitig riskanteste Irrtum.

  • Anwaltszwang: In Deutschland kann ein Scheidungsantrag nach §114 FamFG nur durch einen Rechtsanwalt beim Familiengericht gestellt werden. Das bedeutet: Ohne Anwalt geht es nicht.
  • Kein "gemeinsamer Anwalt": Ein Anwalt darf aus standesrechtlichen Gründen (Interessenkollision) immer nur einen der Ehegatten vertreten. Eine Vertretung beider Parteien ist nicht zulässig.
  • Die Lösung: Bei einer einvernehmlichen Scheidung beauftragt nur der Antragsteller einen Anwalt. Der andere Ehegatte kann der Scheidung ohne eigenen Anwalt zustimmen, wodurch die Kosten für einen zweiten Anwalt gespart werden.

💡 Praxistipp

Sprechen Sie sich ab! Wenn Sie sich über die Scheidungsfolgen (Unterhalt, Vermögen, Kinder) einig sind, können Sie die Kosten erheblich reduzieren, indem nur eine Person den Antrag über einen Anwalt stellt und die andere zustimmt.

2. Irrtum: Nach der Scheidung endet jeder Unterhaltsanspruch

Viele Mandanten glauben, mit der rechtskräftigen Scheidung wäre das Thema Unterhalt endgültig abgeschlossen. Das ist falsch.

Auch nach der Scheidung kann ein nachehelicher Unterhaltsanspruch bestehen, wenn ein gesetzlich anerkannter Grund vorliegt. Das deutsche Familienrecht kennt hier mehrere Tatbestände, die eine nacheheliche Solidarität begründen:

  • Kinderbetreuungsunterhalt: Wenn Sie kleine oder pflegebedürftige Kinder betreuen und deshalb nicht oder nicht voll arbeiten können.
  • Krankheitsunterhalt: Wenn Sie aufgrund von Krankheit nicht für sich selbst sorgen können.
  • Alters- und Dauer-Unterhalt: Aufgrund langer Ehedauer oder hohen Alters.
  • Unterhalt wegen ehebedingter Nachteile: Wenn Sie etwa die eigene Karriere während der Ehe zugunsten der Familie (oder des Partners) aufgegeben haben und nur schwer wieder in den Beruf finden.

Die Dauer und Höhe des nachehelichen Unterhalts ist juristisch sehr komplex und muss individuell geprüft werden.

💡 Praxistipp

Prüfen Sie Ihre Ansprüche! Auch wenn Sie in den Beruf zurückkehren, kann Ihnen aufgrund eines ehebedingten Nachteils (z.B. fehlende Rentenpunkte, geringeres Gehalt) für eine Übergangszeit Unterhalt zustehen. Lassen Sie dies unbedingt anwaltlich berechnen.

3. Irrtum: Vermögen und Schulden werden einfach "Halbe-Halbe" geteilt

Haben Sie keinen Ehevertrag abgeschlossen, leben Sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Bei Scheidung kommt es zum Zugewinnausgleich – und das ist wesentlich komplizierter als eine einfache Halbteilung.

Der Zugewinnausgleich dient dem Ausgleich des Vermögenszuwachses beider Ehepartner während der Ehe.

  • Es wird das Anfangsvermögen (Vermögen am Tag der Hochzeit) dem Endvermögen (Vermögen am Tag der Zustellung des Scheidungsantrags) gegenübergestellt.
  • Relevant ist nur der Zugewinn, also die Differenz.
  • Erbschaften und Schenkungen, die Sie während der Ehe erhalten haben, werden Ihrem Anfangsvermögen hinzugerechnet und bleiben dadurch weitgehend geschützt.
  • Auch die Wertsteigerung des Anfangsvermögens (z.B. bei Immobilien) muss über eine Indexierung berücksichtigt werden.

Eine einfache Teilung des aktuellen Vermögens kann den gesetzlichen Anspruch eines Ehegatten eklatant verfehlen.

💡 Praxistipp

Verlangen Sie Rechenschaft! Verlassen Sie sich nicht auf eine mündliche Einigung. Nur eine detaillierte Vermögensberechnung (unter Einbeziehung von Anfangsvermögen, Erbschaften und Indexierung) durch einen Anwalt garantiert, dass Sie Ihren gesetzlichen Anspruch voll erhalten.

4. Irrtum: Die Online-Scheidung ist günstiger

Der Begriff "Online-Scheidung" ist irreführend und beschreibt lediglich die Art der Kommunikation: Sie wickeln den Kontakt mit Ihrem Anwalt online ab (E-Mail, Telefonate).

  • Keine echte Online-Verhandlung: Der Scheidungsantrag wird klassisch in Papierform eingereicht. Am Ende müssen beide Ehegatten persönlich beim Richter im Gerichtstermin erscheinen.
  • Kosten sind gleich: Die Höhe der Anwalts- und Gerichtskosten richtet sich nach dem gesetzlichen Streitwert(Verfahrenswert), den der Richter festsetzt.
  • Gebührenbindung: Anwaltsgebühren sind in Deutschland durch eine einheitliche Gebührentabelle (RVG) verbindlich vorgeschrieben. Ein Anwalt darf diese Gebühren aus standesrechtlichen Gründen nicht reduzieren.

Die Korrespondenzform hat keinerlei Einfluss auf die Höhe der Scheidungskosten.

💡 Praxistipp

Wählen Sie nach Qualität, nicht nach "Preis"! Da die Anwaltsgebühren gleich sind, sollten Sie Ihren Anwalt nach Kompetenz und Erfahrung im Familienrecht auswählen. Nur ein Anwalt, der das Verfahren effizient führt, spart Ihnen indirekt Zeit und unnötigen Aufwand.

5. Irrtum: Der Richter regelt mit der Scheidung automatisch alles andere

Das Gericht hat bei der Scheidung eine eingeschränkte Zuständigkeit. Mit dem Scheidungsantrag regelt der Richter von Amts wegen (also ohne gesonderten Antrag) nur zwei Dinge:

  1. Die Scheidung der Ehe.
  2. Den Versorgungsausgleich (Aufteilung der Rentenanwartschaften).

Alle anderen relevanten Scheidungsfolgen – wie nachehelicher Unterhalt, die Vermögensaufteilung(Zugewinnausgleich), die Aufteilung des Hausrats oder das Umgangsrecht mit den Kindern – werden vom Gericht nicht automatisch entschieden!

Diese Punkte müssen Sie entweder selbst regeln (ggf. mit notarieller oder anwaltlicher Hilfe) oder Sie müssen einen ausdrücklichen, zusätzlichen Antrag (Klage) beim Gericht einreichen.

💡 Praxistipp

Lassen Sie nichts offen! Wenn eine Einigung in den Scheidungsfolgesachen nicht möglich ist, müssen Sie die relevanten Punkte aktiv einklagen. Wenn Sie dies versäumen, wird die Ehe zwar geschieden, aber die finanzielle Auseinandersetzung bleibt ungelöst und muss später gesondert, oft komplizierter, nachverhandelt werden.

Matthias Prinz

Rechtsanwalt

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