Die finanzielle Belastung der Scheidung und Ihr Weg zur Steuerersparnis

Eine Trennung oder Scheidung ist eine der größten emotionalen und finanziellen Herausforderungen im Leben. Neben der Neuorganisation des Alltags und der Sorge um gemeinsame Kinder stellt die finanzielle Neuausrichtung eine erhebliche Belastung dar. Insbesondere die Verpflichtung zur Zahlung von Trennungs- oder nachehelichem Unterhalt kann das monatliche Budget des unterhaltspflichtigen Partners erheblich schmälern. Viele übersehen dabei jedoch, dass der deutsche Gesetzgeber eine wirkungsvolle, wenn auch komplexe Möglichkeit geschaffen hat, diese finanzielle Last signifikant zu reduzieren: das sogenannte begrenzte Realsplitting.  

Dieses steuerliche Instrument ist eine der effektivsten Strategien, um Unterhaltszahlungen legal von der Steuer abzusetzen und so die eigene finanzielle Leistungsfähigkeit zu sichern. Doch der Weg dorthin ist mit rechtlichen und steuerlichen Fallstricken gepflastert, die ohne fachkundige Begleitung schnell zu teuren Fehlern führen können.

Dieser umfassende Leitfaden beleuchtet alle Aspekte des Realsplittings. Er erklärt die grundlegende Funktionsweise, die zwingenden Voraussetzungen und die zentrale Rolle des Nachteilsausgleichs. Darüber hinaus zeigt er auf, wie Sie Ihren Anspruch auch im Konfliktfall durchsetzen können und warum professionelle anwaltliche Beratung bei diesem Thema nicht nur eine Option, sondern eine Notwendigkeit ist. Ziel ist es, Ihnen Klarheit zu verschaffen und den Weg zu einer erheblichen Steuerersparnis von potenziell mehreren Tausend Euro pro Jahr aufzuzeigen.

Was ist das Realsplitting? Eine einfache Erklärung für Unterhaltszahler

Das Kernprinzip: Unterhalt als Sonderausgaben absetzen

Das Realsplitting ist ein im Einkommensteuergesetz (EStG) unter § 10 Abs. 1a Nr. 1 verankertes Verfahren, das es einem Unterhaltszahler gestattet, seine geleisteten Unterhaltszahlungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehepartner als Sonderausgaben von seinem zu versteuernden Einkommen abzuziehen. Indem die Unterhaltszahlungen das zu versteuernde Einkommen mindern, sinkt die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer. Das Ergebnis ist eine direkte und oft erhebliche Reduzierung der jährlichen Steuerlast für den unterhaltspflichtigen Partner.  

Die Logik dahinter: Nutzung des Progressionsgefälles

Das Realsplitting ist kein Steuertrick, sondern folgt einem fundamentalen Prinzip des deutschen Steuerrechts: dem Leistungsfähigkeitsprinzip. Während der Ehe wird die gemeinsame wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch das Ehegattensplitting begünstigt. Nach einer Trennung entfällt dieser Vorteil, was oft zu einer höheren Steuerbelastung führt. Gleichzeitig verschiebt sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit: Sie sinkt beim Unterhaltszahler, dessen Einkommen durch die Zahlungen gemindert wird, und steigt beim Unterhaltsempfänger.  

Das Realsplitting bildet genau diese neue wirtschaftliche Realität steuerlich ab. Es kann als eine begrenzte Fortsetzung des Splittingeffekts nach der Trennung verstanden werden. Der finanzielle Vorteil entsteht durch die Ausnutzung des Progressionsgefälles im deutschen Steuersystem. In der Regel verfügt der Unterhaltszahler über ein hohes Einkommen und unterliegt damit einem hohen persönlichen Steuersatz. Der Unterhaltsempfänger hat hingegen oft kein oder nur ein sehr geringes Einkommen und somit einen niedrigen Steuersatz. Die Steuerersparnis, die der Hochverdiener durch den Abzug der Unterhaltszahlungen erzielt, ist dadurch prozentual deutlich höher als die zusätzliche Steuerbelastung, die beim Geringverdiener durch die Versteuerung derselben Summe entsteht. Dieser Differenzbetrag stellt den Nettogewinn des gesamten Systems dar.  

Der Höchstbetrag: Bis zu 13.805 € jährlich geltend machen

Der Gesetzgeber hat den maximal abzugsfähigen Betrag für Unterhaltsleistungen im Rahmen des Realsplittings auf 13.805 € pro Kalenderjahr festgelegt. Dieser Höchstbetrag gilt unabhängig davon, ob die Unterhaltszahlungen das ganze Jahr über oder nur für einen Teil des Jahres geleistet wurden.  

Ein wichtiger Aspekt, der oft übersehen wird: Sollte eine Person an mehrere geschiedene Ehepartner Unterhalt leisten, kann dieser Höchstbetrag von 13.805 € für jeden Empfänger separat und in voller Höhe ausgeschöpft werden.  

Zusätzlich zu diesem Grundbetrag können auch die vom Unterhaltszahler übernommenen Beiträge zur Basis-Kranken- und Pflegeversicherung des Ex-Partners vollständig als Sonderausgaben abgesetzt werden.Diese Beiträge erhöhen den abzugsfähigen Gesamtbetrag über die 13.805 € hinaus und maximieren so den steuerlichen Vorteil weiter.  

Welche Zahlungen zählen? Mehr als nur die monatliche Überweisung

Der Begriff "Unterhaltsleistungen" ist im Kontext des Realsplittings weit gefasst und umfasst weit mehr als nur die monatliche Überweisung von Barunterhalt. Als Sonderausgaben können sämtliche Aufwendungen geltend gemacht werden, die dem Lebensbedarf des Ex-Partners dienen. Dazu gehören unter anderem:

  • Regelmäßige Barzahlungen und Einmalzahlungen: Sowohl laufende monatliche Zahlungen als auch einmalige Kapitalabfindungen können abgesetzt werden.  
  • Sachleistungen (Naturalunterhalt): Ein besonders relevanter Punkt ist die unentgeltliche Überlassung von Wohnraum. Lebt der unterhaltsberechtigte Partner mietfrei in einer Immobilie, die dem zahlungspflichtigen Partner gehört, kann der ortsübliche Mietwert als Unterhaltsleistung angesetzt werden.  
  • Übernahme von Kosten: Zahlungen, die direkt an Dritte geleistet werden, aber dem Unterhalt des Ex-Partners dienen, sind ebenfalls abzugsfähig. Dies umfasst beispielsweise die direkte Zahlung der Miete an den Vermieter, die Übernahme von Nebenkosten oder die Zahlung von Versicherungsbeiträgen.  
  • Zahlungen zum Nachteilsausgleich: Wie später detailliert wird, ist der Unterhaltszahler verpflichtet, dem Empfänger alle steuerlichen Nachteile auszugleichen. Diese Ausgleichszahlungen selbst gelten wiederum als Unterhaltsleistungen und können ebenfalls im Rahmen des Höchstbetrags abgesetzt werden.  

Es ist jedoch entscheidend, eine klare Abgrenzung vorzunehmen: Zahlungen für den Kindesunterhalt sind vom Realsplitting explizit ausgeschlossen. Ebenso wenig abzugsfähig sind freiwillige Geschenke oder Leistungen, die im Rahmen des Zugewinnausgleichs erbracht werden, wie die Überlassung eines Autos.  

Die Voraussetzungen: Prüfen Sie Ihren Anspruch auf das Realsplitting

Um die erheblichen Steuervorteile des Realsplittings nutzen zu können, müssen mehrere formale und rechtliche Voraussetzungen lückenlos erfüllt sein. Die Nichtbeachtung einer dieser Bedingungen führt unweigerlich zur Ablehnung durch das Finanzamt.

Detaillierte Checkliste der Bedingungen:

  • Status der Ehegatten: Das Paar muss entweder rechtskräftig geschieden sein oder dauernd getrennt leben. Eine bloße räumliche Trennung ohne den Willen, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wiederherzustellen, genügt nicht.  
  • Steuerpflicht: Grundsätzlich müssen beide ehemaligen Partner in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sein. Eine wichtige Ausnahme besteht für Bürger der EU oder des EWR: Hier kann der Unterhaltsempfänger auch im Ausland leben, sofern er nachweist, dass die Unterhaltsleistungen in seinem Wohnsitzstaat besteuert werden.  
  • Art der Veranlagung: Das Realsplitting ist nur bei getrennter Veranlagung (Einzelveranlagung) möglich. Im Jahr der Trennung können die Ehegatten letztmalig die oft günstigere Zusammenveranlagung wählen. Daher kommt das Realsplitting in der Praxis typischerweise erst ab dem auf das Trennungsjahr folgenden Kalenderjahr zur Anwendung.  
  • Formeller Antrag: Der Unterhaltszahler muss den Abzug der Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben aktiv in seiner Einkommensteuererklärung beantragen. Dies geschieht durch einen Eintrag in der "Anlage Sonderausgaben". Dieser Antrag ist für das betreffende Steuerjahr bindend und kann, einmal gestellt, nicht mehr zurückgenommen oder in der Höhe reduziert werden.  

Die zentrale Rolle der Zustimmung: Die "Anlage U"

Die entscheidende und in der Praxis oft schwierigste Hürde ist die zwingend erforderliche Zustimmung des Unterhaltsempfängers. Ohne dessen explizites Einverständnis kann das Finanzamt das Realsplitting nicht anerkennen.  

Diese Zustimmung ist mehr als eine bloße Formalität; sie ist eine bewusste und rechtsgestaltende Willenserklärung mit weitreichenden Konsequenzen. Formal wird sie durch die Unterschrift des Empfängers auf dem amtlichen Vordruck "Anlage U" dokumentiert, welcher der Steuererklärung des Zahlers beigefügt wird.  

Die Unterschrift auf der Anlage U löst eine unumkehrbare Kausalkette aus: Sie ermöglicht nicht nur den Sonderausgabenabzug beim Zahler, sondern verpflichtet im Gegenzug den Empfänger zwingend zur Versteuerung der erhaltenen Beträge als "sonstige Einkünfte" gemäß § 22 Nr. 1a EStG. Dies führt dazu, dass der Empfänger oft erstmals zur Abgabe einer eigenen Einkommensteuererklärung verpflichtet wird, selbst wenn er ansonsten aufgrund geringer Einkünfte davon befreit wäre. Die rechtliche Tragweite dieser Zustimmung ist so fundamental, dass ihr Eingang beim Finanzamt als sogenanntes "rückwirkendes Ereignis" im Sinne der Abgabenordnung (§ 175 AO) gilt. Dies kann sogar dazu führen, dass bereits bestandskräftige Steuerbescheide nachträglich geändert werden.  

Die Zustimmung kann einmalig und unbefristet für alle Folgejahre erteilt werden, bleibt aber für jedes Jahr widerrufbar. Ein solcher Widerruf muss dem Finanzamt jedoch zwingend vor Beginn des Kalenderjahres zugehen, für das er erstmals gelten soll.  

Der Nachteilsausgleich: Ein faires Verfahren für beide Seiten

Das Realsplitting ist so konzipiert, dass der finanzielle Vorteil ausschließlich beim Unterhaltszahler anfällt. Damit der Unterhaltsempfänger durch seine Zustimmung jedoch keine finanziellen Einbußen erleidet, hat der Gesetzgeber einen zwingenden Schutzmechanismus etabliert: den Nachteilsausgleich.

Die Kehrseite der Medaille: Steuerpflicht für den Empfänger

Der Preis für die Steuerersparnis des zahlungspflichtigen Partners ist die steuerliche Belastung des empfangenden Partners. Dieser muss die erhaltenen Unterhaltszahlungen – bis zur Höhe des vom Zahler geltend gemachten Betrags – in seiner eigenen Steuererklärung in der "Anlage SO" als "sonstige Einkünfte" deklarieren und versteuern.  

Ihre gesetzliche Verpflichtung: Vollständiger Ausgleich aller finanziellen Nachteile

Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und der fortwirkenden nachehelichen Solidarität leitet die Rechtsprechung eine unbedingte zivilrechtliche Verpflichtung des Unterhaltszahlers ab: Er muss dem Empfänger sämtliche finanziellen Nachteile, die diesem durch die Zustimmung zum Realsplitting entstehen, vollständig erstatten. Diese Verpflichtung zum Nachteilsausgleich ist die unabdingbare Voraussetzung dafür, dass überhaupt ein Anspruch auf die Erteilung der Zustimmung besteht. Ohne eine rechtsverbindliche Zusage, alle Nachteile auszugleichen, ist der Ex-Partner nicht zur Zustimmung verpflichtet.  

Umfang des Ausgleichs: Was genau müssen Sie erstatten?

Der Begriff "Nachteile" ist dabei sehr weit auszulegen und umfasst alle denkbaren finanziellen Einbußen. Der Unterhaltszahler muss den Empfänger exakt so stellen, als hätte dieser dem Verfahren nie zugestimmt. Zu den auszugleichenden Posten gehören insbesondere:

  • Die vollständige steuerliche Mehrbelastung: Dies schließt die anfallende Einkommensteuer, den Solidaritätszuschlag und eine eventuelle Kirchensteuer mit ein.  
  • Kosten für professionelle Beratung: Wenn der Unterhaltsempfänger einen Steuerberater benötigt, um die exakte Höhe seiner Nachteile zu berechnen oder um die nun erforderliche Steuererklärung zu erstellen, sind diese Kosten ebenfalls zu erstatten.  
  • Verlust von Sozial- und Förderleistungen: Das nun höhere zu versteuernde Einkommen des Empfängers kann zum Wegfall oder zur Kürzung anderer einkommensabhängiger staatlicher Leistungen führen, wie z.B. der Wohnungsbauprämie, der Arbeitnehmer-Sparzulage oder anderer Sozialtransfers. Auch diese Verluste müssen vollständig kompensiert werden.  
  • Erhöhte Versicherungsbeiträge: Eine mögliche Erhöhung der Beiträge zur gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung aufgrund des höheren Einkommens ist ebenfalls Teil des Nachteilsausgleichs.  

Der Nachteilsausgleich ist somit kein Akt der Großzügigkeit, sondern ein einklagbarer Rechtsanspruch, der das Realsplitting für den Empfänger zu einem finanziellen Nullsummenspiel machen soll. Während der Empfänger also nicht direkt von der Steuerersparnis profitiert, ergibt sich für ihn ein wichtiger indirekter Vorteil: Die nach Abzug des Nachteilsausgleichs verbleibende Steuerersparnis erhöht das unterhaltsrechtlich relevante Nettoeinkommen des Zahlers. Da sich die Höhe des Unterhaltsanspruchs an der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen bemisst, kann diese gestiegene Leistungsfähigkeit in zukünftigen Unterhaltsberechnungen zu einem höheren Anspruch für den Empfänger führen. Dies ist ein entscheidendes Argument in Verhandlungen, da es zeigt, dass die Zustimmung zum Realsplitting auch für den Empfänger langfristig von Vorteil sein kann.  

Realsplitting in der Praxis: Ein Rechenbeispiel zeigt den Vorteil

Die theoretischen Vorteile des Realsplittings lassen sich am besten anhand eines konkreten Beispiels veranschaulichen. Da Tabellen hier vermieden werden sollen, wird die Berechnung schrittweise und narrativ dargestellt.

Das Szenario:

  • Person A ist unterhaltspflichtig. Sein zu versteuerndes Einkommen beträgt 80.000 € pro Jahr. Sein Grenzsteuersatz liegt bei ca. 42%.
  • Person B ist unterhaltsberechtigt. Sie hat eigene Einkünfte aus einer geringfügigen Beschäftigung von 5.000 € pro Jahr, die unter dem steuerlichen Grundfreibetrag liegen.
  • Die Unterhaltszahlung von Person A an Person B beträgt 1.000 € pro Monat, also 12.000 € im Jahr.

Schritt 1: Die steuerliche Situation OHNE Realsplitting

In diesem Fall kann Person A die gezahlten 12.000 € Unterhalt nicht von seinem Einkommen abziehen. Er versteuert seine vollen 80.000 €. Person B erhält die 12.000 € steuerfrei und muss nur ihre eigenen Einkünfte von 5.000 € angeben, die aufgrund des Grundfreibetrags ebenfalls steuerfrei bleiben. Die gesamte Steuerlast des "Systems" wird allein von Person A getragen.

Schritt 2: Die steuerliche Situation MIT Realsplitting

Person A beantragt nun das Realsplitting und Person B stimmt zu.

  • Für Person A: Er kann die 12.000 € Unterhalt als Sonderausgaben absetzen. Sein zu versteuerndes Einkommen reduziert sich von 80.000 € auf 68.000 €. Bei einem Grenzsteuersatz von 42% ergibt sich für ihn eine ungefähre Steuerersparnis von $12.000 \, \text{€} \times 0,42 = 5.040 \, \text{€}$.10
  • Für Person B: Sie muss die erhaltenen 12.000 € als sonstige Einkünfte versteuern. Ihr zu versteuerndes Einkommen steigt somit von 5.000 € auf 17.000 € ($5.000 \, \text{€} + 12.000 \, \text{€}$). Auf diesen Betrag muss sie nun Einkommensteuer zahlen. Nach Abzug des Grundfreibetrags ergibt sich für sie eine geschätzte Steuerlast von ca. 1.500 €.

Schritt 3: Der Nachteilsausgleich und der Netto-Vorteil

Nun kommt der entscheidende Schritt, der das Verfahren fair gestaltet.

  • Nachteilsausgleich: Person A ist gesetzlich verpflichtet, Person B den entstandenen steuerlichen Nachteil in Höhe von 1.500 € vollständig zu erstatten.
  • Netto-Ergebnis für Person A: Seine ursprüngliche Steuerersparnis betrug 5.040 €. Davon muss er 1.500 € als Nachteilsausgleich an Person B zahlen. Ihm verbleibt ein Netto-Gewinn von 3.540 € pro Jahr.
  • Netto-Ergebnis für Person B: Sie erhält 12.000 € Unterhalt. Von diesem Geld muss sie 1.500 € an das Finanzamt zahlen, erhält aber exakt diese 1.500 € von Person A zurück. Ihr verfügbares Netto-Einkommen aus dem Unterhalt bleibt unverändert bei 12.000 €.

Fazit des Beispiels: Durch die kooperative Anwendung des Realsplittings wurde die gemeinsame Steuerlast um 3.540 € gesenkt. Dieser finanzielle Vorteil verbleibt vollständig beim Unterhaltszahler, während die unterhaltsberechtigte Person finanziell nicht schlechter gestellt wird.

Konfliktfall: Was tun, wenn der Ex-Partner die Zustimmung verweigert?

In der emotional aufgeladenen Atmosphäre einer Trennung wird die Zustimmung zum Realsplitting leider oft verweigert – manchmal aus Unwissenheit, oft aber auch aus dem Wunsch heraus, dem anderen zu schaden. Der Unterhaltszahler ist dieser Situation jedoch nicht schutzlos ausgeliefert. Das deutsche Recht sieht einen klaren Weg vor, um den Anspruch auf Zustimmung durchzusetzen.  

Die rechtliche Grundlage: Anspruch auf Zustimmung

Es ist eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der unterhaltsberechtigte Partner grundsätzlich rechtlich zur Zustimmung verpflichtet ist. Diese Verpflichtung besteht, sobald der zahlungspflichtige Partner eine verbindliche und uneingeschränkte Zusage zum vollständigen Ausgleich aller denkbaren Nachteile abgibt. Die grundlose Verweigerung der Zustimmung kann als rechtsmissbräuchlich gewertet werden und leitet sich aus der nachehelichen Solidarität und dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ab.  

Strategische Vorgehensweise: Von der Aufforderung zur Klage

Ein eskalierendes Vorgehen ist in der Regel der beste Weg, um den Anspruch durchzusetzen:

  • Schritt 1: Außergerichtliche Klärung und formelle Aufforderung: Der erste und wichtigste Schritt ist eine formelle, schriftliche Aufforderung an den Ex-Partner, die Zustimmung zu erteilen. Dieses Schreiben muss zwingend eine rechtsverbindliche Erklärung enthalten, in der sich der Unterhaltszahler zur vollständigen Übernahme aller finanziellen Nachteile verpflichtet (sogenannte Freistellungserklärung). Eine solche klare und dokumentierte Aufforderung ist oft bereits ausreichend, um eine Einigung zu erzielen, und ist die unerlässliche Grundlage für eventuelle spätere rechtliche Schritte.  
  • Schritt 2: Klage vor dem Familiengericht: Bleibt die Zustimmung trotz formeller Aufforderung und Freistellungserklärung verwehrt, kann der Anspruch gerichtlich durchgesetzt werden. Zuständig für diese Art von Streitigkeiten sind ausschließlich die Familiengerichte. Ein anwaltlich gestellter Antrag auf Verpflichtung zur Zustimmung hat hohe Erfolgsaussichten, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind. Hierbei ist eine juristische Feinheit von entscheidender Bedeutung: Es wird nicht auf die Unterzeichnung des spezifischen Formulars "Anlage U" geklagt, sondern auf die Abgabe der abstrakten Willenserklärung zur Zustimmung. Der Grund dafür ist, dass niemand gezwungen werden kann, ein Formular zu unterschreiben, das möglicherweise Tatsachenbehauptungen (z.B. zur Höhe des erhaltenen Unterhalts) enthält, die er für unrichtig hält. Ein rechtskräftiges Urteil, das zur Zustimmung verpflichtet, ersetzt diese dann gegenüber dem Finanzamt.  

Schadensersatz bei unberechtigter Weigerung

Verweigert der Ex-Partner die Zustimmung rechtsmissbräuchlich und entsteht dem Unterhaltszahler dadurch ein finanzieller Schaden in Form der entgangenen Steuerersparnis, können daraus Schadensersatzansprüche entstehen. Der Nachweis hierfür muss jedoch sorgfältig geführt werden.  

Grenzen des Anspruchs

Der Anspruch auf Zustimmung ist jedoch nicht grenzenlos. Er kann beispielsweise verwirkt sein, wenn der Unterhaltszahler sich selbst in grober Weise unsolidarisch verhalten hat (z.B. durch Urkundenfälschung im Zusammenhang mit der Trennung). Ebenso kann der Anspruch scheitern, wenn der Unterhaltszahler hoch verschuldet oder insolvent ist und somit nicht glaubhaft sicherstellen kann, dass er den Nachteilsausgleich auch tatsächlich leisten kann.  

Die Alternative: Unterhalt als außergewöhnliche Belastung absetzen

Sollte das Realsplitting aus verschiedenen Gründen – sei es die unüberwindbare Weigerung des Partners oder eine ungünstige Kosten-Nutzen-Rechnung – keine Option sein, bietet das Steuerrecht eine Alternative: den Abzug von Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33a EStG.  

Gegenüberstellung der Merkmale

Diese Alternative unterscheidet sich in wesentlichen Punkten vom Realsplitting:

  • Vorteil der Alternative - Keine Zustimmung erforderlich: Der entscheidende Vorteil dieses Weges ist, dass keine Zustimmung des Unterhaltsempfängers benötigt wird. Der Abzug kann einseitig vom Zahler beantragt werden. Korrespondierend dazu muss der Empfänger die erhaltenen Unterhaltsleistungen nicht versteuern. Dies macht es zum "friedlicheren" und unkomplizierteren Weg, wenn eine Kooperation ausgeschlossen ist.  
  • Nachteil 1 - Geringerer Höchstbetrag: Der maximale Abzugsbetrag ist deutlich niedriger. Er orientiert sich am gesetzlichen Grundfreibetrag und liegt beispielsweise für das Steuerjahr 2024 bei 11.784 €. Dies ist erheblich weniger als die 13.805 € (plus Versicherungsbeiträge) beim Realsplitting.  
  • Nachteil 2 - Anrechnung eigener Einkünfte: Ein weiterer signifikanter Nachteil ist, dass eigene Einkünfte und Bezüge des Unterhaltsempfängers, die einen Betrag von 624 € pro Jahr übersteigen, den abzugsfähigen Höchstbetrag vollständig mindern. Hat der Empfänger also nennenswerte eigene Einkünfte, kann der Abzugsbetrag schnell auf null schmelzen. Diese Anrechnung findet beim Realsplitting nicht statt.  
  • Nachteil 3 - Kein "Splitting" der Methoden: Das Steuerrecht verbietet eine Kombination beider Verfahren. Es ist nicht zulässig, einen Teil der Unterhaltszahlungen über das Realsplitting und den Restbetrag als außergewöhnliche Belastung geltend zu machen. Die Entscheidung für einen der beiden Wege gilt für das gesamte Kalenderjahr.  

Strategische Empfehlung

Aufgrund des höheren Abzugsbetrags und der fehlenden Anrechnung von Einkünften des Empfängers ist das Realsplitting in nahezu allen Fällen, in denen ein nennenswertes Einkommensgefälle besteht, die finanziell weitaus vorteilhaftere Option. Der Abzug als außergewöhnliche Belastung sollte daher nur als "Notlösung" in Betracht gezogen werden, wenn die Zustimmung zum Realsplitting auch auf gerichtlichem Wege nicht zu erlangen ist oder wenn die Unterhaltszahlungen und das Einkommensgefälle so gering sind, dass der administrative Aufwand des Realsplittings den geringen Mehrwert nicht rechtfertigt.  

Fazit: Warum professionelle anwaltliche Beratung beim Realsplitting unerlässlich ist

Das begrenzte Realsplitting ist ein mächtiges Instrument, das unterhaltspflichtigen Personen nach einer Trennung oder Scheidung eine jährliche Steuerersparnis von mehreren Tausend Euro ermöglichen kann. Es nutzt die progressiven Effekte des deutschen Steuersystems legal aus und kann die finanzielle Belastung durch Unterhaltszahlungen erheblich mildern.

Gleichzeitig ist das Verfahren von einer Komplexität und von rechtlichen Fallstricken geprägt, die für einen Laien kaum zu überblicken sind. Von der korrekten Berechnung des Nachteilsausgleichs, der alle denkbaren finanziellen Einbußen des Ex-Partners umfasst, über die Einhaltung der strengen formellen Voraussetzungen bis hin zur strategischen Kommunikation und notfalls gerichtlichen Durchsetzung bei Konflikten – jeder Schritt erfordert tiefgehendes juristisches und steuerrechtliches Fachwissen. Fehler können nicht nur zum Verlust des Steuervorteils führen, sondern auch teure Schadensersatzforderungen nach sich ziehen.

Handeln Sie daher nicht auf eigenes Risiko. Als spezialisierte Kanzlei für Familienrecht beherrschen wir nicht nur die rechtlichen, sondern auch die steuerlichen und strategischen Aspekte des Realsplittings. Wir analysieren Ihre individuelle Situation, berechnen präzise Ihren potenziellen Steuervorteil und entwickeln eine klare Strategie für die Umsetzung – sei es durch eine einvernehmliche Regelung mit Ihrem Ex-Partner oder durch die konsequente gerichtliche Durchsetzung Ihrer Ansprüche.

Nutzen Sie die Chance, Ihre finanzielle Situation nach der Scheidung aktiv zu gestalten. Kontaktieren Sie mich für eine professionelle Erstberatung, um Ihre Möglichkeiten zu prüfen und den Weg für Ihre maximale Steuerersparnis zu ebnen.

Matthias Prinz

Rechtsanwalt

Sie wollen sich trennen oder scheiden? Fragen Sie unverbindlich eine Beratung oder Vertretung an