Ein Wendepunkt im Leben – Die Entscheidung für einen selbstbestimmten Weg

Nach 20, 30 oder mehr Jahren Ehe fühlt sich der Gedanke an eine Scheidung oft wie ein Sprung ins Ungewisse an. Sie haben Jahre oder Jahrzehnte in die Familie investiert, Ihre eigene Karriere vielleicht zurückgestellt und für den gemeinsamen Lebensentwurf gelebt. Nun stehen Sie an einem Punkt, an dem Fragen wie "Was bleibt mir nach all den Jahren?", "Bin ich finanziell abgesichert?" und "Kann ich mir ein eigenes Leben überhaupt leisten?" im Zentrum Ihrer Sorgen stehen.1 Diese Phase ist geprägt von der Angst vor finanzieller Unsicherheit und dem Verlust der vertrauten Strukturen.3

Doch die Frage "Lohnt es sich?" muss neu bewertet werden. Es geht nicht darum, ob Sie die Vergangenheit bereuen, sondern darum, wie Sie Ihre Zukunft gestalten wollen. Dank der gestiegenen Lebenserwartung haben Sie mit 55 oder 60 Jahren statistisch gesehen noch 20 bis 30 aktive und gestaltbare Lebensjahre vor sich.3 Die eigentliche Frage lautet daher: Welche Qualität sollen diese Jahre haben? Immer mehr Frauen in Ihrer Generation sind nicht mehr bereit, in einer unglücklichen Beziehung zu verharren, in der sie sich vielleicht nur noch als Haushälterin ohne Wertschätzung fühlen.4Sie ergreifen die Chance auf einen selbstbestimmten, erfüllten neuen Lebensabschnitt.5 Eine Scheidung ist in diesem Kontext weniger ein Ende als vielmehr eine bewusste Entscheidung für Ihr eigenes Glück – eine Investition in Ihre zukünftige Zufriedenheit.

Dieser Artikel dient als Ihr strategischer Leitfaden. Er wird Ihnen keine einfachen Antworten geben, sondern eine ehrliche, fundierte und umfassende Analyse der rechtlichen, finanziellen und menschlichen Aspekte einer späten Scheidung in Deutschland. Wir werden die drei entscheidenden finanziellen Säulen – Versorgungsausgleich, Zugewinnausgleich und nachehelicher Unterhalt – detailliert beleuchten und Ihnen zeigen, wo Ihre größten Rechte und strategischen Möglichkeiten liegen. Unser Ziel ist es, Ihre Angst durch Wissen zu ersetzen und Ihnen die Klarheit und das Selbstvertrauen zu geben, den für Sie richtigen Weg zu gehen.

1. Die drei finanziellen Säulen der Scheidung: Was Ihnen jetzt zusteht

Die finanzielle Auseinandersetzung ist das Fundament Ihrer zukünftigen Unabhängigkeit. Hier werden die Weichen für Ihre wirtschaftliche Sicherheit gestellt. Ein tiefgehendes Verständnis dieser drei Bereiche ist entscheidend, um Ihre Rechte vollumfänglich geltend zu machen und Ihre Zukunft zu sichern.

1.1. Der Versorgungsausgleich: Die gerechte Teilung der Altersvorsorge

Für viele Frauen, die wegen Kindererziehung und Haushaltsführung ihre Erwerbstätigkeit unterbrochen oder in Teilzeit gearbeitet haben, ist der Versorgungsausgleich die wichtigste Säule der finanziellen Absicherung im Alter.6 Er ist die gesetzliche Anerkennung Ihrer Lebensleistung.

Das Grundprinzip: Halbe-Halbe als Fairnessprinzip

Nach dem Versorgungsausgleichsgesetz (§ 1 VersAusglG) werden grundsätzlich alle während der Ehezeit erworbenen Anwartschaften auf Alters- und Invaliditätsversorgung hälftig geteilt.7 Dies betrifft nicht nur die gesetzliche Rente Ihres Mannes, sondern ein breites Spektrum an Vorsorgeinstrumenten 8:

  • Gesetzliche Rentenversicherung
  • Beamtenversorgung
  • Betriebliche Altersversorgung (Direktzusagen, Pensionskassen etc.)
  • Berufsständische Versorgungswerke (z.B. für Ärzte, Anwälte)
  • Private Altersvorsorgeverträge wie Riester- oder Rürup-Renten

Das Familiengericht führt diesen Ausgleich von Amts wegen durch; Sie müssen ihn nicht gesondert beantragen.8 Im Ergebnis erhalten Sie die Hälfte der von Ihrem Mann in der Ehezeit erworbenen Anrechte auf Ihrem eigenen Rentenkonto gutgeschrieben.9 Dies ist oft ein entscheidender Baustein, um Altersarmut zu verhindern.10

Der entscheidende Faktor: Die "Ehezeit"

Der Zeitraum, für den dieser Ausgleich stattfindet, ist die sogenannte "Ehezeit". Diese beginnt mit dem Monat der Eheschließung und endet im Monat vor der Zustellung des Scheidungsantrags an den anderen Ehegatten.11 Jede Rentenanwartschaft, die Ihr Mann bis zu diesem Stichtag erwirbt, fällt in den Ausgleich.

Sonderfall: Die lange Trennung – Ein strategischer Aspekt für Sie

Viele Paare leben jahrelang getrennt, ohne die Scheidung einzureichen. Während dieser gesamten Zeit läuft die "Ehezeit" rechtlich weiter. Das bedeutet, Ihr Mann baut weiterhin Rentenansprüche auf, an denen Sie bei einer späteren Scheidung zur Hälfte partizipieren, obwohl die Lebensgemeinschaft längst beendet ist.12 Zögert Ihr Mann die Einreichung der Scheidung hinaus, kann dies Ihre Rentenansprüche potenziell erhöhen. Umgekehrt kann er versuchen, den Ausgleich für die Trennungszeit wegen "grober Unbilligkeit" (§ 27 VersAusglG) auszuschließen, was jedoch an hohe Hürden geknüpft ist und einer sorgfältigen gerichtlichen Prüfung bedarf.13

Praxistipp 1: Sichern Sie Ihre Ansprüche durch lückenlose Dokumentation

Sammeln und kopieren Sie frühzeitig alle verfügbaren Finanzunterlagen Ihres Mannes (Gehaltsabrechnungen, Steuerbescheide, Informationen zu Betriebsrenten). Diese Dokumente sind essenziell, um sicherzustellen, dass alle Rentenanwartschaften im Verfahren korrekt erfasst und bewertet werden. Ein vollständiger Überblick ist die Basis für einen gerechten Ausgleich.15

1.2. Der Zugewinnausgleich: Ihr Anteil am gemeinsam geschaffenen Vermögen

Der Zugewinnausgleich regelt die Aufteilung des während der Ehe erwirtschafteten Vermögens. Gerade hier bestehen oft Missverständnisse, die Frauen um erhebliche finanzielle Ansprüche bringen können.

Das Grundprinzip: Ausgleich des Vermögenszuwachses

Wenn Sie keinen Ehevertrag geschlossen haben, leben Sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Das bedeutet, bei der Scheidung wird der Zuwachs an Vermögen, den jeder Partner während der Ehe erzielt hat, ausgeglichen.16

Die Berechnung ist ein einfacher Vergleich:

  1. Für jeden Partner wird das Anfangsvermögen (Vermögen am Tag der Heirat) und das Endvermögen (Vermögen am Tag der Zustellung des Scheidungsantrags) ermittelt.17
  2. Die Differenz ($Endvermögen - Anfangsvermögen$) ist der jeweilige Zugewinn.16
  3. Als Partnerin mit dem (meist) geringeren Zugewinn haben Sie einen Anspruch auf die Hälfte der Differenz beider Zugewinne.16

Der Stichtag für die Berechnung des Endvermögens ist der Tag der Zustellung des Scheidungsantrags.18Vermögensänderungen danach sind irrelevant.

Fokus Immobilie & Unternehmen: Ihr Recht auf Teilhabe am Wertzuwachs

Ein häufiger und für Frauen nachteiliger Irrglaube ist: "Das Haus / die Firma gehört meinem Mann, er steht allein im Grundbuch / Gesellschaftsvertrag, also habe ich keinen Anspruch." Diese Annahme ist im Hinblick auf das Eigentum zwar korrekt, aber für den finanziellen Ausgleich falsch und gefährlich.16

Die gesamte Wertsteigerung der Immobilie oder des Unternehmens während der Ehezeit fließt in die Berechnung des Zugewinns Ihres Mannes ein und wird somit hälftig geteilt.20 Dies umfasst explizit auch die rein marktbedingte Wertentwicklung.21 Ein Haus, das Ihr Mann für 200.000 Euro mit in die Ehe brachte und das heute 700.000 Euro wert ist, hat einen Zugewinn von 500.000 Euro generiert. Davon stehen Ihnen im Rahmen des Zugewinnausgleichs 250.000 Euro zu, obwohl Sie nie im Grundbuch standen.20 Dasselbe Prinzip gilt für den Wertzuwachs von Unternehmensanteilen.20Ihre Rolle in der Familie hat es Ihrem Mann oft erst ermöglicht, dieses Vermögen aufzubauen – der Zugewinnausgleich ist die gesetzliche Anerkennung dieses Beitrags.

Sonderfall Erbschaften & Schenkungen

Vermögen, das Ihr Mann während der Ehe erbt oder geschenkt bekommt, wird seinem Anfangsvermögen zugerechnet und ist daher grundsätzlich vom Ausgleich ausgenommen.22 Aber auch hier gilt die entscheidende Einschränkung: Die Wertsteigerung, die dieses Vermögen während der Ehe erfahren hat, ist wiederum Teil des auszugleichenden Zugewinns.20

Praxistipp 2: Bestehen Sie auf einer objektiven Bewertung

Akzeptieren Sie keine Schätzungen oder veralteten Kaufpreise für Immobilien oder Firmenanteile. Bestehen Sie auf der Erstellung von zertifizierten, gerichtsfesten Gutachten (Verkehrswertgutachten für Immobilien, Unternehmensbewertung für Firmen) zu den beiden relevanten Stichtagen: Eheschließung und Zustellung des Scheidungsantrags. Nur eine objektive Bewertung sichert Ihre berechtigten Ansprüche und schafft eine solide Verhandlungsbasis.22

1.3. Der nacheheliche Unterhalt: Absicherung Ihrer Zukunft

Während Versorgungs- und Zugewinnausgleich die Vergangenheit regeln, blickt der nacheheliche Unterhalt in die Zukunft. Für Frauen, die ihre Karriere für die Familie zurückgestellt haben, ist er oft die entscheidende Grundlage für die finanzielle Stabilität nach der Scheidung.

Grundsatz der Eigenverantwortung vs. Realität nach langer Ehe

Nach der Scheidung ist grundsätzlich jeder für seinen eigenen Lebensunterhalt verantwortlich (§ 1569 BGB).23 Dieser Grundsatz wird jedoch bei Ehen, die 20 Jahre oder länger gedauert haben und in denen eine klassische Rollenverteilung gelebt wurde, entscheidend durchbrochen.23 Wenn Sie Ihre berufliche Karriere für die Kindererziehung und Haushaltsführung aufgegeben haben, ist ein langfristiger, in manchen Fällen sogar lebenslanger Unterhaltsanspruch eher die Regel als die Ausnahme.27

Das Schlüsselkonzept: "Ehebedingte Nachteile"

Der Dreh- und Angelpunkt für Ihren Unterhaltsanspruch ist der Nachweis "ehebedingter Nachteile". Sie müssen darlegen, dass Ihre heutige, geringere Erwerbsfähigkeit eine direkte Folge der gemeinsamen Lebensplanung in der Ehe ist.27 Das Gesetz kommt Ihnen hier entgegen: Es wird vermutet, dass solche Nachteile vorliegen. Ihr Ex-Mann müsste beweisen, dass Sie ohne die Ehe beruflich nicht besser dastehen würden – ein in der Praxis extrem schwer zu führender Beweis.28

Dauer und Höhe: Keine pauschalen Formeln

Ein weit verbreiteter Mythos ist, dass die Unterhaltsdauer einem festen Schlüssel folgt. Dies ist falsch. Es gibt keine starren Fristen.23 Die Dauer und Höhe des Unterhalts richten sich ausschließlich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach 30:

  • Der Dauer der Ehe.
  • Ihrem Alter und Gesundheitszustand.
  • Ihren Erwerbschancen auf dem Arbeitsmarkt.
  • Dem in der Ehe gelebten Lebensstandard.

Bei einer Scheidung nach langer Ehe und in fortgeschrittenem Alter kann ein Unterhaltsanspruch wegen Alters (§ 1571 BGB) oder Krankheit (§ 1572 BGB) auch unbefristet bis zum Renteneintritt oder sogar lebenslang bestehen.28 Ihre strategische Planung muss darauf abzielen, diesen Anspruch fundiert zu begründen und durchzusetzen.

Praxistipp 3: Dokumentieren Sie Ihre beruflichen Nachteile

Erstellen Sie eine detaillierte Chronologie Ihrer beruflichen Entwicklung vor und während der Ehe. Welche Karriereschritte haben Sie aufgegeben? Auf welche Weiterbildungen oder Beförderungen haben Sie verzichtet? Sammeln Sie Zeugnisse, frühere Arbeitsverträge oder andere Belege. Diese Dokumentation ist die Grundlage, um Ihre ehebedingten Nachteile konkret nachzuweisen und einen angemessenen Unterhaltsanspruch zu untermauern.27

2. Jenseits der Paragrafen: Die menschliche Dimension der späten Scheidung

Eine Scheidung ist mehr als nur eine finanzielle Transaktion. Sie ist eine tiefgreifende Lebenskrise, die auch die emotionalen und familiären Grundfesten erschüttert. Eine gute Strategie berücksichtigt auch diese Aspekte, denn sie sind untrennbar mit einem erfolgreichen Neuanfang verbunden.

2.1. Der emotionale Neuanfang: Zwischen Verlustangst und neuer Freiheit

Die Entscheidung zur Trennung nach Jahrzehnten stürzt viele Frauen in eine existenzielle Krise. Es ist der Verlust eines Lebensentwurfs, die Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit und die Angst vor Einsamkeit und finanzieller Not im Alter.3 Viele Frauen fühlen sich nach Jahren der Aufopferung für die Familie unsichtbar und nicht wertgeschätzt.4

Doch in dieser Krise liegt auch eine immense Chance. Die "graue Scheidung" ist Ausdruck eines gesellschaftlichen Wandels: Frauen sind nicht mehr bereit, unglückliche Jahre abzusitzen, nur weil sie ein bestimmtes Alter erreicht haben.4Es ist die Chance auf einen authentischen Neuanfang, auf die Verwirklichung von Träumen, die lange zurückgestellt wurden, und auf das Finden einer neuen Partnerschaft, die auf den Werten und Bedürfnissen einer reifen Frau basiert.5Viele Frauen berichten nach einer anfänglichen Phase der Trauer von einem Gefühl der Befreiung, neu entdeckter Energie und der Möglichkeit, sich endlich selbst zu verwirklichen.1

Praxistipp 4: Investieren Sie in sich selbst und bauen Sie Ihr soziales Netz auf

Warten Sie nicht, bis die Scheidung vollzogen ist. Beginnen Sie schon während des Trennungsjahres, Ihr soziales Leben aktiv neu zu gestalten. Reaktivieren Sie alte Freundschaften, suchen Sie sich ein neues Hobby, treten Sie einem Verein bei oder engagieren Sie sich ehrenamtlich.4 Suchen Sie sich bei Bedarf auch professionelle Unterstützung durch Therapeuten oder Coaches, um den emotionalen Prozess zu bewältigen und gestärkt daraus hervorzugehen.3

2.2. Erwachsene Kinder im Sturm: Warum auch sie Unterstützung brauchen

Der Glaube, eine Scheidung sei für die Kinder einfacher, wenn sie erst einmal erwachsen und aus dem Haus sind, ist ein weit verbreiteter Trugschluss. Für viele erwachsene Kinder bricht mit der Trennung der Eltern ihr "sicherer Hafen" zusammen, das Fundament ihrer eigenen Lebensgeschichte gerät ins Wanken.31 Sie erleben einen tiefen Verlust, leiden unter Loyalitätskonflikten und sehen sich plötzlich mit der Zerbrechlichkeit der elterlichen Beziehung konfrontiert, die sie als unumstößlich wahrgenommen hatten.

Zusätzlich werden sie oft unfreiwillig in Rollen gedrängt, die sie überfordern. Sie sollen als emotionale Stütze für einen Elternteil dienen, als Mediator im Konflikt der Eltern agieren oder sogar als Berater in komplexen finanziellen und rechtlichen Fragen fungieren.31 Diese Bürde kann die Beziehung zu beiden Elternteilen nachhaltig belasten. Ein Rosenkrieg, der die Kinder instrumentalisiert, kann zu einem dauerhaften Bruch führen – ein Verlust, der oft schwerer wiegt als jeder finanzielle Nachteil.

Praxistipp 5: Schützen Sie Ihre Kinder vor dem Konflikt

Suchen Sie, wenn irgend möglich, ein gemeinsames und ruhiges Gespräch mit Ihren erwachsenen Kindern. Machen Sie unmissverständlich klar: "Unsere Entscheidung als Paar hat nichts mit unserer Liebe zu euch als Eltern zu tun. Wir bleiben beide eure Eltern." Belasten Sie Ihre Kinder nicht mit den Details Ihres Konflikts und zwingen Sie sie niemals, Partei zu ergreifen. Geben Sie ihnen die Erlaubnis, zu beiden Elternteilen eine gute Beziehung zu pflegen.31

3. Ihr Fahrplan zur Scheidung: Eine strategische Checkliste für die Frau 50+

Eine erfolgreiche Scheidung ist kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis eines strukturierten und strategisch durchdachten Prozesses. Die folgenden Schritte bilden den Fahrplan, der Sie sicher durch dieses komplexe Terrain führt.

  • Schritt 1: Das Trennungsjahr rechtssicher gestalten
  • Das Gesetz verlangt vor der Scheidung in der Regel ein Trennungsjahr. Dies bedeutet die "Trennung von Tisch und Bett", also das Ende der häuslichen und wirtschaftlichen Gemeinschaft. Dies kann auch innerhalb derselben Wohnung erfolgen, erfordert dann aber eine strikte räumliche und organisatorische Trennung.33 Dokumentieren Sie den Beginn der Trennung schriftlich, um spätere Streitigkeiten über den Zeitpunkt zu vermeiden.33
  • Schritt 2: Die finanzielle Neuordnung – Sofortmaßnahmen
  • Handeln Sie sofort, um Ihre finanzielle Autonomie zu sichern. Dazu gehören die Eröffnung eines eigenen Bankkontos, der Widerruf von Kontovollmachten, die Überprüfung und Anpassung aller Versicherungen (viele Familientarife enden mit der Rechtskraft der Scheidung) und die Änderung Ihres Testaments. Das gesetzliche Erbrecht Ihres Ehepartners erlischt erst mit der Zustellung des Scheidungsantrags.12
  • Schritt 3: Die Beweissicherung – Ihre finanzielle DNA
  • Tragen Sie alle relevanten Finanzdokumente zusammen und fertigen Sie Kopien an. Dies ist die Datengrundlage für die Geltendmachung Ihrer Ansprüche. Sie benötigen Unterlagen zum Zeitpunkt der Eheschließung (für das Anfangsvermögen) und zum aktuellen Zeitpunkt: Steuerbescheide, Gehaltsabrechnungen, Konto- und Depotauszüge, Grundbuchauszüge, Versicherungs- und Darlehensverträge.15
  • Schritt 4: Die strategische Erstberatung – Der entscheidende Vorteil
  • Der größte Fehler ist, aus Angst vor Kosten oder Konfrontation zu lange mit der anwaltlichen Beratung zu warten. Eine frühzeitige strategische Erstberatung ist keine Kriegserklärung, sondern ein Akt der Selbstfürsorge und Voraussicht. Sie klärt Sie über Ihre Rechte und Pflichten auf, hilft Ihnen, typische Fehler zu vermeiden, und legt den Kurs für eine möglichst effiziente und für Sie vorteilhafte Lösung fest.39

Finanz-Checkliste für die sofortige Umsetzung bei Trennung

In der emotionalen Ausnahmesituation einer Trennung ist ein klarer Handlungsplan unerlässlich, um die Kontrolle zu behalten und Ihre finanzielle Zukunft zu sichern. Es gibt einige dringende Maßnahmen, die Sie sofort oder in den ersten Wochen umsetzen sollten. Sofort sollten Sie ein eigenes Girokonto eröffnen, um Ihre finanzielle Unabhängigkeit zu sichern und die Kontrolle über Ihre Einnahmen und Ausgaben zu erlangen. Genauso dringend ist der Widerruf sämtlicher Vollmachten, um zu verhindern, dass Ihr Partner Konten leerräumt oder Verträge in Ihrem Namen ändert. Innerhalb der ersten Woche ist es entscheidend, den aktuellen Vermögensstand zu dokumentieren, indem Sie Kopien von Kontoauszügen, Depots etc. anfertigen, um die Stichtagswerte für den Zugewinnausgleich zu sichern. Gleichzeitig sollten Sie alle wichtigen Dokumente wie Heiratsurkunde, Verträge und Grundbuchauszüge kopieren, um Beweise für alle Verfahrensteile zu haben. Innerhalb des ersten Monats sollten Sie Ihre Versicherungen prüfen und trennen. Stellen Sie eine eigene Absicherung (z.B. Haftpflicht, Hausrat) her und ändern Sie die Bezugsberechtigten bei Lebensversicherungen. Eine weitere dringende Maßnahme ist die Anpassung oder Erstellung Ihres Testaments, um das automatische Erbrecht des Ehepartners auszuschließen. Schließlich sollten Sie vor Ende des Trennungsjahres Ihre Steuerklasse prüfen lassen, um finanzielle Nachteile im Folgejahr zu vermeiden.

Fazit: Eine Scheidung ist kein Scheitern, sondern Ihre bewusste Entscheidung für eine bessere Zukunft

Wir kehren zur Ausgangsfrage zurück: Lohnt sich eine Scheidung als Frau mit 50+? Die Antwort ist zutiefst persönlich, aber sie muss nicht von Angst vor dem finanziellen Ruin bestimmt sein. Die finanzielle Auseinandersetzung folgt klaren gesetzlichen Regeln, die gerade diejenige Person schützen sollen, die während der Ehe beruflich zurückgesteckt hat – und das sind in den meisten Fällen die Frauen.6 Eine unvorbereitete, emotional geführte Scheidung kann dazu führen, dass Sie nicht die Ansprüche geltend machen, die Ihnen zustehen. Eine gut geplante, strategisch geführte und professionell begleitete Scheidung hingegen kann das Fundament für einen wirtschaftlich gesicherten und persönlich erfüllten neuen Lebensabschnitt legen.

Wissen über Ihre Rechte ist der Schlüssel zur Macht. Proaktives, informiertes Handeln, geleitet von fachkundiger Expertise, ist der entscheidende Faktor, der einen unsicheren Ausgang von einem erfolgreichen Neuanfang trennt.

Die Weichen für die nächsten 20 bis 30 Jahre Ihres Lebens werden jetzt gestellt. Treffen Sie keine Entscheidung dieser Tragweite auf Basis von Halbwissen oder Angst. In einem vertraulichen Erstgespräch analysieren wir Ihre individuelle Situation, bewerten Ihre Ansprüche und entwickeln eine klare Strategie für Ihren Weg in einen selbstbestimmten neuen Lebensabschnitt. Kontaktieren Sie uns noch heute.

Praxishinweise im Überblick

  • Praxistipp 1: Sichern Sie Ihre Ansprüche durch lückenlose Dokumentation
  • Sammeln und kopieren Sie frühzeitig alle verfügbaren Finanzunterlagen Ihres Mannes (Gehaltsabrechnungen, Steuerbescheide, Informationen zu Betriebsrenten). Diese Dokumente sind essenziell, um sicherzustellen, dass alle Rentenanwartschaften im Verfahren korrekt erfasst und bewertet werden. Ein vollständiger Überblick ist die Basis für einen gerechten Ausgleich.15
  • Praxistipp 2: Bestehen Sie auf einer objektiven Bewertung
  • Akzeptieren Sie keine Schätzungen oder veralteten Kaufpreise für Immobilien oder Firmenanteile. Bestehen Sie auf der Erstellung von zertifizierten, gerichtsfesten Gutachten (Verkehrswertgutachten für Immobilien, Unternehmensbewertung für Firmen) zu den beiden relevanten Stichtagen: Eheschließung und Zustellung des Scheidungsantrags. Nur eine objektive Bewertung sichert Ihre berechtigten Ansprüche und schafft eine solide Verhandlungsbasis.22
  • Praxistipp 3: Dokumentieren Sie Ihre beruflichen Nachteile
  • Erstellen Sie eine detaillierte Chronologie Ihrer beruflichen Entwicklung vor und während der Ehe. Welche Karriereschritte haben Sie aufgegeben? Auf welche Weiterbildungen oder Beförderungen haben Sie verzichtet? Sammeln Sie Zeugnisse, frühere Arbeitsverträge oder andere Belege. Diese Dokumentation ist die Grundlage, um Ihre ehebedingten Nachteile konkret nachzuweisen und einen angemessenen Unterhaltsanspruch zu untermauern.27
  • Praxistipp 4: Investieren Sie in sich selbst und bauen Sie Ihr soziales Netz auf
  • Warten Sie nicht, bis die Scheidung vollzogen ist. Beginnen Sie schon während des Trennungsjahres, Ihr soziales Leben aktiv neu zu gestalten. Reaktivieren Sie alte Freundschaften, suchen Sie sich ein neues Hobby, treten Sie einem Verein bei oder engagieren Sie sich ehrenamtlich.4 Suchen Sie sich bei Bedarf auch professionelle Unterstützung durch Therapeuten oder Coaches, um den emotionalen Prozess zu bewältigen und gestärkt daraus hervorzugehen.3
  • Praxistipp 5: Schützen Sie Ihre Kinder vor dem Konflikt
  • Suchen Sie, wenn irgend möglich, ein gemeinsames und ruhiges Gespräch mit Ihren erwachsenen Kindern. Machen Sie unmissverständlich klar: "Unsere Entscheidung als Paar hat nichts mit unserer Liebe zu euch als Eltern zu tun. Wir bleiben beide eure Eltern." Belasten Sie Ihre Kinder nicht mit den Details Ihres Konflikts und zwingen Sie sie niemals, Partei zu ergreifen. Geben Sie ihnen die Erlaubnis, zu beiden Elternteilen eine gute Beziehung zu pflegen.31

Matthias Prinz

Rechtsanwalt

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