Die Nachricht, dass Ihr Mann die Trennung und Scheidung will, ist ein emotionaler Schock. Doch wenn Ihr Mann Unternehmer ist, geht es um weit mehr als das Ende einer Ehe. Es ist eine existenzielle wirtschaftliche Neuordnung, bei der Ihr gemeinsames Lebenswerk und Ihre finanzielle Zukunft auf dem Spiel stehen. Die enge Verflechtung von privatem Vermögen und dem Unternehmen macht diese Art der Scheidung ungleich komplexer und konfliktträchtiger als andere.
In dieser Ausnahmesituation ist es entscheidend, den anfänglichen Schock in strategisches, informiertes Handeln umzuwandeln. Dieser Artikel ist Ihr Fahrplan durch die Untiefen des Familien- und Gesellschaftsrechts. Er zeigt Ihnen, wie Sie Ihre Rechte wahren und eine faire Basis für Ihren neuen Lebensabschnitt schaffen. Die Auseinandersetzung wird sich auf zwei zentrale finanzielle Säulen stützen:
Das übergeordnete Ziel dieses Wegweisers ist es, die Informationsasymmetrie zwischen Ihnen und Ihrem Mann abzubauen. Sie sollen zu einer ebenbürtigen Verhandlungspartnerin werden, die ihre Rechte kennt, die Taktiken der Gegenseite durchschaut und ihre Ansprüche konsequent durchsetzen kann.
Es ist verständlich und menschlich, nach einer solchen Nachricht wie gelähmt zu sein. Doch in der Situation einer Unternehmerscheidung ist Zeit ein kritischer Faktor. Jeder Tag des Zögerns kann Ihre Position schwächen, da möglicherweise im Hintergrund bereits Fakten geschaffen werden. Der wichtigste erste Schritt ist daher die mentale Entscheidung, trotz der emotionalen Belastung sofort handlungsfähig zu werden und die Kontrolle über Ihre Situation zu übernehmen.
Bevor Ihr Mann den Zugang zu gemeinsamen Unterlagen sperrt oder Sie aus dem gemeinsamen Haus ausziehen, ist die Sicherung von Dokumenten von entscheidender Bedeutung. Dies ist kein Akt des Misstrauens, sondern die Schaffung einer soliden Faktengrundlage für alle späteren Verhandlungen und die Arbeit von Anwälten und Gutachtern. Ohne diese Unterlagen agieren Sie im Blindflug. Fertigen Sie Kopien, Scans oder Fotos von allem an, was finanziell relevant ist. Dazu gehören insbesondere:
Die Wahl des Rechtsbeistands ist die wichtigste strategische Entscheidung, die Sie treffen werden. Ein generalistischer Anwalt für Familienrecht ist hier oft überfordert. Sie benötigen einen Spezialisten, der die Denkweise eines Unternehmers versteht und gleichzeitig über tiefgreifende Expertise im Familienrecht verfügt. Als Kanzlei, die selbst unternehmerisch tätig ist, bringen wir genau dieses Verständnis für die wirtschaftlichen und persönlichen Herausforderungen mit, die mit einer Firma verbunden sind. Wir sind darauf spezialisiert, die komplexen Schnittstellen zwischen Familienrecht und unternehmerischem Vermögen zu managen. Ein solcher Anwalt muss in der Lage sein, komplexe Unternehmensbewertungen zu verstehen, Sachverständigengutachten kritisch zu prüfen und die typischen Taktiken einer Unternehmerscheidung zu durchschauen.
Eines Ihrer fundamentalsten Rechte ist der gesetzliche Auskunftsanspruch. Gemäß § 1379 BGB ist jeder Ehegatte verpflichtet, dem anderen lückenlos und unter Vorlage von Belegen Auskunft über sein Vermögen zu erteilen. Dieser Anspruch bezieht sich auf drei entscheidende Stichtage: den Tag der Eheschließung (für das Anfangsvermögen), den Tag der Trennung und den Tag der Zustellung des Scheidungsantrags (für das Endvermögen).
Sollte Ihr Mann die Auskunft verweigern, unvollständige oder offensichtlich falsche Angaben machen, gibt es klare Eskalationsstufen, die Ihr Anwalt einleiten wird :
Die Art und Weise, wie Ihr Mann auf diese Auskunftsersuchen reagiert, ist mehr als nur eine Informationsbeschaffung. Sie ist ein strategisches Werkzeug. Zögert er? Liefert er nur oberflächliche Daten? Weigert er sich, Belege vorzulegen? Seine Reaktion ist ein erster, wertvoller Indikator für seine Taktik und zeigt auf, wo er möglicherweise etwas zu verbergen hat. Es ist ein Test seiner Kooperationsbereitschaft und gibt Ihrem Anwalt wichtige Hinweise auf die zu erwartende Konfliktintensität.
Sofern Sie keinen Ehevertrag geschlossen haben, der die Gütertrennung vorsieht, leben Sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB). Das bedeutet: Das Vermögen, das jeder Ehepartner in die Ehe eingebracht hat und währenddessen erbt, bleibt sein alleiniges Eigentum. Geteilt wird bei einer Scheidung jedoch der Wertzuwachs, den beide Ehepartner während der Ehe gemeinsam erwirtschaftet haben – der sogenannte Zugewinn.
Die entscheidende Konsequenz für Sie ist: Der Wertzuwachs des Unternehmens während der Ehejahre ist Teil dieses gemeinsamen Topfes und muss für eine faire Teilung exakt bewertet werden. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine freiberufliche Praxis, einen Handwerksbetrieb oder eine GmbH handelt; jede Form der selbständigen Tätigkeit stellt einen zu bewertenden Vermögenswert dar.
Der Bundesgerichtshof (BGH) fordert für die Berechnung des Zugewinnausgleichs die Ermittlung des "vollen, wirklichen" Werts des Unternehmens. Gemeint ist damit der objektive Verkehrswert – also der Preis, den ein unabhängiger Dritter für das Unternehmen zahlen würde.
Hier verbirgt sich jedoch eine strategische Leerstelle im Gesetz, die den Kern vieler Auseinandersetzungen bildet. Während der BGH das Ziel klar vorgibt, schreibt das Gesetz bewusst keine konkrete Bewertungsmethode vor. Dies ist keine versehentliche Lücke, sondern eine anerkannte Notwendigkeit, da keine einzelne Methode für jedes Unternehmen gleichermaßen geeignet ist. Dies führt dazu, dass das zuständige Gericht einen erheblichen Ermessensspielraum bei der Wahl des Verfahrens hat. Die Auseinandersetzung um den Unternehmenswert beginnt daher nicht bei den Zahlen, sondern auf der vorgelagerten Ebene der Methodenwahl. Der Erfolg Ihres Anwalts, das Gericht von der für Sie vorteilhaftesten Methode zu überzeugen, entscheidet maßgeblich über die Höhe des ermittelten Unternehmenswerts und damit über die Höhe Ihres Anspruchs.
Im Wesentlichen kommen drei Methoden zur Anwendung, die zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führen können :
Ihr Mann hat als Unternehmensinhaber einen erheblichen Informationsvorsprung und zahlreiche Möglichkeiten, den für die Bewertung relevanten Gewinn zu beeinflussen. Achten Sie besonders auf folgende Punkte:
Wenn Sie sich nicht auf einen Wert einigen können, wird das Gericht im Streitfall einen unabhängigen Sachverständigen bestellen, der ein Gutachten zum Unternehmenswert erstellt. Es ist jedoch ein strategischer Fehler, passiv auf dieses Gutachten zu warten. Ihr Anwalt sollte bereits im Vorfeld versuchen, das Gericht bei der Auswahl der Bewertungsmethode zu beeinflussen. Zudem kann es sinnvoll sein, ein eigenes Privatgutachten in Auftrag zu geben, um dem Gericht eine fundierte Alternative zu präsentieren und Schwachstellen im gerichtlichen Gutachten aufzudecken.
Die Berechnung des Zugewinnausgleichs folgt einer klaren Logik. Für jeden Ehepartner wird der individuelle Zugewinn ermittelt, also die Differenz zwischen seinem Endvermögen und seinem Anfangsvermögen. Derjenige mit dem höheren Zugewinn muss die Hälfte der Differenz an den anderen ausgleichen.
Die drei Stichtage sind nicht nur formale Daten, sondern strategische Ankerpunkte im Verfahren:
Dieser letzte Stichtag kann zu einem taktischen "Rennen" führen. Erwartet Ihr Mann einen erheblichen Vermögenszuwachs – sei es durch einen Unternehmensverkauf, einen großen Bonus oder den Abschluss eines lukrativen Geschäfts –, hat er ein starkes Interesse daran, den Scheidungsantrag so schnell wie möglich zuzustellen, um diesen Zuwachs aus der Berechnung herauszuhalten. Umgekehrt kann es für Sie strategisch klug sein, mit einem eigenen Scheidungsantrag zu warten, wenn Sie von einem solchen bevorstehenden Ereignis wissen. Eine proaktive und gut getimte Vorgehensweise Ihres Anwalts ist hier entscheidend, um Ihre Position zu maximieren.
Das Gesetz schützt Sie vor unfairen Manövern. Wenn Ihr Mann nach der Trennung in der Absicht, Sie zu benachteiligen, Vermögen verschwendet, verschenkt oder unter Wert verkauft, werden diese Beträge seinem Endvermögen fiktiv wieder hinzugerechnet (§ 1375 Abs. 2 BGB). Typische Beispiele sind teure Luxusreisen mit der neuen Partnerin, großzügige Schenkungen an Familienmitglieder oder fingierte Darlehen an Freunde. Die Auskunft zum Trennungsstichtag ist der Schlüssel, um solche Handlungen aufzudecken und nachzuweisen.
Nach der Scheidung gilt zwar der Grundsatz der Eigenverantwortung, doch der nacheheliche Unterhalt soll sicherstellen, dass der wirtschaftlich schwächere Partner seinen Lebensstandard, der während der Ehe geherrscht hat, fortführen kann. Es geht also nicht nur um die Deckung des Existenzminimums, sondern um die Teilhabe am ehemals gemeinsam erreichten Wohlstand. Die Höhe des Unterhalts richtet sich nach den "eheprägenden Lebensverhältnissen".
Bei sehr hohen Einkommen, wie sie in Unternehmerfamilien oft vorkommen, greift eine Besonderheit der Rechtsprechung: die sogenannte "relative Sättigungsgrenze". Gerichte gehen ab einem Netto-Familieneinkommen von etwa 11.000 Euro pro Monat nicht mehr automatisch davon aus, dass das gesamte Geld für den laufenden Lebensunterhalt ausgegeben wurde. Die Vermutung liegt nahe, dass ein erheblicher Teil der Vermögensbildung zufloss. Da Unterhalt aber den Lebensbedarf decken und nicht der weiteren Vermögensbildung dienen soll, wird die einfache Quotenberechnung (z.B. 45 % der Einkommensdifferenz) außer Kraft gesetzt.
Die Beweislast kehrt sich nun um: Sie müssen detailliert auflisten, vortragen und im Streitfall belegen, wofür das hohe Einkommen während der Ehe konkret ausgegeben wurde, um Ihren monatlichen Bedarf zu begründen. Diese Aufgabe gleicht einer "forensischen Lebensstilanalyse". Es reicht nicht, pauschal "Urlaub" oder "Kleidung" anzugeben. Sie müssen den gelebten Luxus quantifizieren. Dies erfordert eine akribische Rekonstruktion Ihres gemeinsamen Lebensstils, oft anhand von Kontoauszügen und Kreditkartenabrechnungen der letzten Jahre. Es muss nachgewiesen werden, wie viel Geld monatlich oder jährlich für Wohnen, Mobilität, Urlaube, Hobbys, Kultur und andere Annehmlichkeiten ausgegeben wurde. Diese mühsame, aber entscheidende Aufgabe ist die Grundlage, um einen angemessenen Unterhalt durchzusetzen, der Ihrem bisherigen Lebensstandard entspricht.
Der nacheheliche Unterhalt ist nicht unbegrenzt. Er wird nur gewährt, wenn bestimmte gesetzliche Tatbestände erfüllt sind, wie z.B. die Betreuung kleiner Kinder, fortgeschrittenes Alter, Krankheit oder wenn Ihre Einkünfte aus einer angemessenen Tätigkeit nicht ausreichen, um den ehelichen Lebensstandard zu halten (Aufstockungsunterhalt). Nach dem Grundsatz der Eigenverantwortung (§ 1569 BGB) kann der Unterhalt vom Gericht zeitlich befristet werden, insbesondere wenn durch die Ehe keine nachhaltigen beruflichen Nachteile für Sie entstanden sind.
Im Laufe des Verfahrens werden Sie wahrscheinlich mit bestimmten Taktiken konfrontiert, die darauf abzielen, Ihre Ansprüche zu minimieren. Seien Sie darauf vorbereitet:
Wenn Sie begründete Befürchtungen haben, dass Ihr Mann Vermögen verschwendet, beiseiteschafft oder sich hartnäckig weigert, Auskunft zu erteilen, gibt es eine strategische "Notbremse": der Antrag auf vorzeitigen Zugewinnausgleich. Mit diesem Antrag können Sie die Berechnung und Auszahlung des Zugewinns bereits vor der Rechtskraft der Scheidung verlangen. Dies setzt den Stichtag für das Endvermögen sofort fest und verhindert weitere Manipulationen. Es ist ein scharfes Schwert, das bei illoyalem Verhalten sehr wirksam sein kann.
Eine außergerichtliche Einigung kann viel Zeit, Geld und emotionale Energie sparen. Eine solche Vereinbarung ist jedoch nur dann eine gute Option, wenn sie auf einer vollständigen und ehrlichen Offenlegung aller Finanzen basiert und Sie sich in einer starken Verhandlungsposition befinden. Unterzeichnen Sie niemals eine Scheidungsfolgenvereinbarung unter Druck oder ohne eingehende Prüfung durch Ihren spezialisierten Anwalt und gegebenenfalls einen Steuerberater.
Eine Unternehmerscheidung ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Der Prozess kann langwierig, komplex und nervenaufreibend sein. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Sie sich ein starkes unterstützendes Netzwerk aus Freunden, Familie und gegebenenfalls professioneller therapeutischer Begleitung aufbauen. Ihre emotionale Stabilität ist die Grundlage dafür, die notwendige Kraft und Klarheit für die anstehenden strategischen Entscheidungen zu bewahren.
Die Trennung von einem Unternehmer stellt Sie vor immense Herausforderungen. Doch Sie haben klare Rechte, die Sie schützen. Ihre drei wichtigsten Säulen sind das unumstößliche Recht auf vollständige Auskunft, das Recht auf eine faire und realistische Bewertung des Unternehmensvermögens und das Recht auf eine gerechte Teilhabe am gemeinsam erwirtschafteten Wohlstand.
Wissen ist in diesem Prozess Macht. Je besser Sie über Ihre Rechte, die Bewertungsverfahren und die möglichen Taktiken der Gegenseite informiert sind, desto stärker ist Ihre Verhandlungsposition. Der Weg, der vor Ihnen liegt, ist anspruchsvoll, aber er führt in einen selbstbestimmten und finanziell gesicherten neuen Lebensabschnitt. Sie kämpfen nicht nur um Geld – Sie kämpfen um die Anerkennung Ihrer Lebensleistung und um eine gerechte Grundlage für Ihre Zukunft.
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