Die Trennung von einem Partner, der selbstständig, als Unternehmer oder Freiberufler tätig ist, stellt die Betroffenen vor einzigartige finanzielle Hürden. Während die emotionalen Belastungen einer Trennung für alle gleich sind, kommt hier eine erhebliche Unsicherheit hinzu: Die finanzielle Situation des Partners ist oft eine "Blackbox", geprägt von schwankenden Einnahmen, komplexen Firmenstrukturen und steuerlichen Gestaltungsspielräumen. Diese Intransparenz führt bei dem unterhaltsberechtigten Partner häufig zu existenziellen Ängsten und der Sorge, nicht die finanzielle Unterstützung zu erhalten, die ihm gesetzlich zusteht.
Die zentrale Herausforderung in diesen Fällen ist selten die Frage, ob ein Anspruch auf Trennungsunterhalt besteht, sondern vielmehr, wie hoch das für die Berechnung relevante Einkommen tatsächlich ist. Dieser Artikel dient als verlässlicher Kompass durch den komplexen Prozess der Unterhaltsermittlung. Er beleuchtet die rechtlichen Grundlagen, deckt die spezifischen Schwierigkeiten bei der Einkommensfeststellung von Selbstständigen auf, zeigt, wie "versteckte" Einkünfte aufgedeckt werden können, und erklärt, wie der gesetzliche Anspruch auf Information konsequent durchgesetzt wird.
Der Anspruch auf Trennungsunterhalt ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in § 1361 verankert. Diese Vorschrift dient dem Schutz des wirtschaftlich schwächeren Ehegatten während der Phase der Trennung. Ihr Zweck ist es, den während der Ehe gemeinsam erreichten Lebensstandard vorläufig aufrechtzuerhalten, um einen abrupten sozialen und finanziellen Abstieg zu verhindern. Der Anspruch beginnt mit dem Zeitpunkt der Trennung und endet mit der Rechtskraft der Scheidung, woran sich ein möglicher Anspruch auf nachehelichen Unterhalt anschließen kann. Eine entscheidende Schutzvorschrift ist, dass auf den Trennungsunterhalt nicht im Voraus wirksam verzichtet werden kann. Solche Vereinbarungen in Eheverträgen sind in der Regel unwirksam.
Ein Anspruch auf Trennungsunterhalt stützt sich auf drei wesentliche Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen.
Es ist von entscheidender Bedeutung, die verschiedenen Unterhaltsarten voneinander abzugrenzen, da sie unterschiedlichen Regeln und Rangfolgen unterliegen.
Der entscheidende Maßstab für die Höhe des Trennungsunterhalts sind die "ehelichen Lebensverhältnisse".Dies umfasst alle Einnahmen und geldwerten Vorteile, die der Familie während des Zusammenlebens zur Verfügung standen und den Lebensstil prägten – von der Wohnsituation über Urlaube und Freizeitgestaltung bis hin zu Ausgaben für Autos und Versicherungen. Es geht nicht um die Deckung eines bloßen Existenzminimums, sondern um die Fortführung des gemeinsam etablierten Standards. Bemerkenswert ist, dass ein Anspruch auf Trennungsunterhalt grundsätzlich auch bei kurzer Ehedauer besteht. Der Gesetzgeber hat bewusst darauf verzichtet, die kurze Ehedauer als Ausschlussgrund für den Trennungsunterhalt vorzusehen, wie es beim nachehelichen Unterhalt der Fall sein kann.
Für Partner von Selbstständigen ist die wichtigste Erkenntnis: Der im Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Gewinn ist selten identisch mit dem Einkommen, das für die Unterhaltsberechnung herangezogen wird. Der steuerliche Gewinn ist oft durch legale Gestaltungsmöglichkeiten wie Abschreibungen, Rückstellungen oder Investitionsabzugsbeträge optimiert, um die Steuerlast zu minimieren. Das Unterhaltsrecht hingegen zielt auf das tatsächlich verfügbare und für den Lebensunterhalt verwendbare Einkommen ab.
Hieraus ergibt sich ein fundamentaler Konflikt zwischen zwei legitimen, aber gegensätzlichen Zielen: der steuerlichen Optimierung des Unternehmers und dem unterhaltsrechtlichen Teilhabeanspruch des Partners. Der steuerliche Gewinn dient daher lediglich als Ausgangspunkt für eine detaillierte unterhaltsrechtliche Korrektur und Bereinigung. Nahezu jede Position in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) oder der Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) muss kritisch hinterfragt werden, was diese Fälle besonders streitanfällig macht.
Da die Einkünfte von Selbstständigen und Unternehmern oft erheblichen Schwankungen unterliegen, hat sich in der Rechtsprechung der Grundsatz etabliert, zur Glättung dieser Volatilität das Durchschnittseinkommen der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre als Berechnungsgrundlage heranzuziehen. Dies soll verhindern, dass ein zufällig schlechtes oder gutes Jahr das Ergebnis unverhältnismäßig beeinflusst.
Beispielhaft wird der Jahresgewinn der Jahre 2022 (z.B. 44.000 Euro), 2023 (z.B. 50.000 Euro) und 2024 (z.B. 57.000 Euro) addiert und die Summe durch drei geteilt, um einen durchschnittlichen Jahresgewinn zu ermitteln. Dieser wird dann auf einen Monatsbetrag heruntergerechnet. Von dieser Regel kann jedoch abgewichen werden, wenn eine nachhaltige und belegbare Veränderung der Geschäftslage eingetreten ist. Dies kann ein negativer Trend sein, etwa durch den Wegfall eines Großkunden, aber auch eine positive Entwicklung durch starkes Wachstum. In solchen Fällen kann eine auf aktuellen Betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWAs) basierende Prognose für die Zukunft maßgeblich sein.
Der zentrale Begriff bei jeder Unterhaltsberechnung ist das "bereinigte Nettoeinkommen". Dies ist der Betrag, der nach Addition aller Einkommensbestandteile und Abzug aller unterhaltsrechtlich anerkannten Verbindlichkeiten für den Konsum zur Verfügung steht.
Was zählt als Einkommen?
Welche Ausgaben werden abgezogen (Bereinigungsposten)?
Die eigentliche Auseinandersetzung entzündet sich oft an Positionen, die den Gewinn mindern oder das verfügbare Einkommen verschleiern. Hier ist eine besonders kritische Prüfung erforderlich.
Die private Nutzung eines Firmenwagens stellt einen geldwerten Vorteil dar, da der Unterhaltspflichtige die Kosten für ein eigenes Fahrzeug spart. Dieser Vorteil wird dem unterhaltsrelevanten Einkommen hinzugerechnet.
Zur Bewertung dieses Vorteils gibt es verschiedene Ansätze. Die steuerliche 1%-Regelung, bei der monatlich 1 % des Bruttolistenpreises des Fahrzeugs als Einnahme versteuert wird, dient oft als Ausgangspunkt, ist für die Familiengerichte aber nicht bindend. Häufig prüfen die Gerichte, ob es sich um eine "aufgedrängte Bereicherung" handelt. Würde sich der Pflichtige bei seinem Einkommen privat ein derart teures Fahrzeug leisten? Wenn nicht, wird der Vorteil oft niedriger angesetzt, basierend auf den geschätzten Kosten für ein angemessenes Fahrzeug. Die Gerichte schätzen diesen Vorteil häufig auf Beträge zwischen 150 und 350 Euro monatlich, bei Luxusfahrzeugen kann der Wert aber auch deutlich höher liegen. Die Anrechnung des Firmenwagens kann zudem dazu führen, dass der pauschale Abzug für berufsbedingte Aufwendungen (z.B. 5 %) gekürzt wird oder ganz entfällt, da die Fahrtkosten bereits durch den Firmenwagen abgedeckt sind.
Abschreibungen (Absetzung für Abnutzung, AfA) sind buchhalterische Posten, die den Wertverlust von Anlagevermögen über die Zeit abbilden. Sie mindern den steuerlichen Gewinn erheblich, stellen aber keinen tatsächlichen Geldabfluss im entsprechenden Jahr dar. Aus diesem Grund werden sie im Unterhaltsrecht besonders kritisch geprüft. Die Rechtsprechung differenziert hier stark:
Dieser Text beleuchtet die unterschiedliche Behandlung verschiedener Abschreibungsarten (AfA) im Kontext des Steuerrechts und des Unterhaltsrechts (Regelfall), inklusive der jeweiligen Begründungen.
Die Lineare AfA ist steuerrechtlich gewinnmindernd absetzbar über die gesamte Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts. Im Unterhaltsrecht wird sie in der Regel anerkannt, da sie einem realen Wertverlust nahekommt. Eine Ausnahme besteht lediglich, wenn die AfA den tatsächlichen Wertverlust erheblich übersteigt.
Die Degressive AfA ermöglicht steuerlich höhere Absetzungen in den ersten Jahren der Nutzung. Unterhaltsrechtlich wird sie nicht anerkannt. Stattdessen wird sie in eine fiktive lineare AfA umgerechnet. Die Begründung hierfür liegt darin, dass die degressive Methode das Einkommensbild in den ersten Jahren stark nach unten verzerrt.
Sonder-AfA und IAB (Investitionsabzugsbeträge) stellen zusätzliche steuerliche Anreize dar. Sie werden im Unterhaltsrecht nicht anerkannt. Die Begründung dafür ist, dass es sich um reine Steuergestaltung handelt, die nicht den realen Geldfluss widerspiegelt.
Die Gebäude-AfA ist steuerrechtlich gewinnmindernd absetzbar. Im Unterhaltsrecht wird sie in der Regel nicht anerkannt. Dies wird damit begründet, dass bei Immobilien oft von einer Werterhaltung oder sogar -steigerungausgegangen wird und nicht von einem Wertverlust. Eine Ausnahme bildet der Fall, wenn noch Kredite für das Gebäude getilgt werden.
Geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) werden steuerlich durch eine Sofortabschreibung im Anschaffungsjahr berücksichtigt. Im Unterhaltsrecht ist diese Art der Abschreibung anerkannt. Dies spiegelt den schnellen Wertverlust kleinerer Anschaffungen wider.
Ein besonders komplexes Thema für Unternehmer und beteiligte Ärzte (z.B. in einem MVZ in GmbH-Form) sind die Gewinne einer GmbH, die nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet, sondern im Unternehmen belassen (thesauriert) werden, um beispielsweise Investitionen zu tätigen oder die Liquidität zu stärken. Die entscheidende Frage für das Unterhaltsrecht lautet: Wer hat die Kontrolle über diese Entscheidung?
Wenn der unterhaltspflichtige Partner als "beherrschender Gesellschafter" die Ausschüttungspolitik der GmbH im Wesentlichen allein bestimmen kann (was oft bei Alleingesellschaftern oder Mehrheitsbeteiligungen über 50 % der Fall ist), können ihm die nicht ausgeschütteten Gewinne anteilig als fiktives Einkommen zugerechnet werden. Das Argument des Unternehmers, die Gewinne seien für die Firma notwendig, wird vom Gericht auf seine betriebswirtschaftliche Stichhaltigkeit geprüft. Besteht der Verdacht, dass die Thesaurierung primär dazu dient, das unterhaltsrelevante Einkommen künstlich zu senken, wird das Gericht die Gewinne hinzurechnen. Die Analyse von Gesellschaftsverträgen, Bilanzen und Ergebnisverwendungsbeschlüssen ist hier unerlässlich.
Auch die geltend gemachten Betriebsausgaben werden einer Angemessenheitsprüfung unterzogen. Das Gericht hinterfragt, ob Ausgaben tatsächlich betrieblich veranlasst oder verschleierte private Lebenshaltungskosten sind. Kritische Posten sind hierbei oft überhöhte Leasingraten für Luxusfahrzeuge, unangemessene Reise- und Bewirtungskosten (z.B. für Fachkongresse bei Ärzten) oder Gehälter für Familienangehörige, für die keine oder nur eine geringe Gegenleistung erbracht wird.
Um überhaupt eine faire Unterhaltsberechnung vornehmen zu können, gewährt das Gesetz dem unterhaltsberechtigten Partner einen umfassenden Auskunftsanspruch. Dieser ist in § 1605 BGB geregelt und findet über den Verweis in § 1361 Abs. 4 BGB auch auf den Trennungsunterhalt Anwendung. Es handelt sich hierbei nicht um ein Bittgesuch, sondern um einen einklagbaren Rechtsanspruch. Ohne diese Informationen wäre eine Berechnung des Unterhalts für den Partner des Unternehmers oder Freiberuflers schlicht unmöglich.
Der selbstständige Partner ist verpflichtet, eine systematisch geordnete Aufstellung seiner Einkünfte und seines Vermögens vorzulegen und diese durch entsprechende Belege nachzuweisen. Der Anspruch ist nicht auf die Mitteilung des reinen Gewinns beschränkt, sondern umfasst alle Unterlagen, die zur Überprüfung und unterhaltsrechtlichen Korrektur dieses Gewinns notwendig sind.
Checkliste der anzufordernden Belege für Unternehmer, Ärzte und Freiberufler:
Die Notwendigkeit, diese detaillierten Unterlagen anzufordern, ergibt sich direkt aus der Komplexität der Einkommensbereinigung. Nur mit Einblick in die GuV oder Bilanz kann ein spezialisierter Anwalt prüfen, ob beispielsweise Abschreibungen oder Betriebsausgaben unterhaltsrechtlich zu korrigieren sind.
Die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs erfolgt in der Regel schrittweise.
Sollte der unterhaltspflichtige Unternehmer, Arzt oder Freiberufler sein Einkommen mutwillig reduzieren, seine Firma bewusst schlecht wirtschaften lassen oder sein volles Leistungspotenzial nicht ausschöpfen, um seine Unterhaltspflicht zu umgehen, kann das Gericht ein fiktives Einkommen ansetzen.Das Gericht prüft dann, welches Einkommen der Partner bei zumutbarer Anstrengung und ordnungsgemäßer Geschäftsführung erzielen könnte. Indizien für eine solche Manipulation können unrealistisch niedrige Gewinne im Branchenvergleich, der Verzicht auf lukrative Aufträge oder ein hoher privater Lebensstandard sein, der im Widerspruch zum angeblich geringen Einkommen steht.
Grundsätzlich gilt die Freiheit der Berufswahl. Wenn eine selbstständige Tätigkeit jedoch über einen längeren Zeitraum nicht einmal genug Gewinn abwirft, um den Mindestunterhalt, insbesondere für minderjährige Kinder, zu sichern, kann das Gericht vom Unterhaltspflichtigen verlangen, sich um eine alternative, besser bezahlte Anstellung zu bemühen. Diese sogenannte "gesteigerte Erwerbsobliegenheit" gilt in verschärfter Form bei der Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern (§ 1603 Abs. 2 BGB), wird beim Ehegattenunterhalt aber zurückhaltender angewendet und bleibt stets eine Einzelfallentscheidung.
Die Auseinandersetzung um Trennungsunterhalt mit einem Unternehmer, Arzt oder Freiberufler ist eine der komplexesten Materien des Familienrechts. Die zentralen Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Die Trennung von einem Unternehmer, Arzt oder Freiberufler ist kein Standardfall. Aufgrund des erheblichen Informationsgefälles, der finanziellen Komplexität und der vielfältigen Möglichkeiten zur Einkommensgestaltung ist die Beauftragung eines auf Familienrecht, idealerweise mit Expertise im Unterhaltsrecht bei Selbstständigen, spezialisierten Fachanwalts nicht nur eine Empfehlung, sondern eine absolute Notwendigkeit. Nur so können die eigenen Rechte effektiv gewahrt und ein faires, der Lebensrealität entsprechendes Ergebnis erzielt werden.
Haftungsausschluss: Nur mit einer anwaltliche Beratung können Sie die korrekte Berechnung Ihrer Ansprüche sicherstellen. Unvollständigkeiten oder Fehler im Artikel können nicht vollständig ausgeschlossen werden.
Sie wollen sich trennen oder scheiden? Fragen Sie unverbindlich eine Beratung oder Vertretung an